Pastoren auf dem Klima-Rad: "Man fliegt den Berg hoch"

Pastoren auf dem Klima-Rad: "Man fliegt den Berg hoch"
Wenn der Harburger Propst Jürgen Bollmann von einer Dienstfahrt nach Hause kommt, ist er völlig erfrischt. Der Fahrwind schwebt noch in den Haaren und im Bart, und der Propst ist kein bisschen verschwitzt - obwohl er seine Dienstfahrten mit dem Fahrrad erledigt und auf einem Berg wohnt. Jürgen Bollmann beteiligt sich an der Klimakampagne der Nordelbischen Evangelischen Kirche und hat sich eines von 250 Elektrofahrrädern gekauft.
22.09.2011
Von Anne Kampf

Pastorinnen und Pastoren - fahrt Rad! Dienstfahrten mit CO2-Ausstoß sollen in der Nordelbischen Kirche seltener werden, die Geistlichen sollen in Sachen "Bewahrung der Schöpfung" mit gutem Beispiel vorangehen - beziehungsweise voran fahren. Mit dem Pedelec (Pedal Elektric Cycle), einem guten Elektrofahrrad, das extra für die Klimakampagne in einer Sonderedition für die Pfarrer aufgelegt wurde. Es kostet 1350 Euro. "Das ist billiger als wenn man dasselbe Rad im Laden kaufen würde", wirbt Propst Bollmann.

Rund 30 Pfarrerinnen und Pfarrer haben bisher zugeschlagen. Sie wollen in Zukunft versuchen, kurze und mittellange Alltagsfahrten mit dem Pedelec zurückzulegen. Je nach Fitness, Gegenwind oder Steigung können sie den Elektromotor anwerfen und dabei zwischen verschiedenen Leistungsstufen wählen. Jürgen Bollmann genießt es, an den Steigungen seinen 26-jährigen Sohn (auf normalem Rad) abzuhängen.

35 Kilometer "ohne Erlahmen der Beine"

Propst Jürgen Bollmann aus Harburg und Pastor  Thomas Jeutner aus Hamburg mit dem Pedelec. Foto: Klimakampagne der Nordelbischen Kirche

Der Propst benutzt das Fahrrad für private und dienstliche Fahrten und ist damit glücklich: Das Pedelec fährt schneller als sein altes Rad, und er erreicht die Gemeinden in seinem Kirchenkreis mit unverschwitztem Hemd. Strecken von bis zu 35 Kilometern Entfernung sind "ohne Erlahmen der Beine" möglich. Bollmann bedauert, dass er in seinem aktuellen Zweit-Job als Ständiger bischöflicher Stellvertreter im Sprengel Hamburg und Lübeck momentan viel mit dem Auto fahren muss - sein Pedelec steht in Harburg. "Sich für fünf Kilometer ins Auto zu setzen, ist eine Wahnsinnsvergeudung an Energie."

Bollmanns Kollege im Kirchenkreis Hamburg-West/Südholstein, Propst Horst Gorski, ist ebenfalls umgestiegen. Für mittellange Strecken, die er bisher mit dem Auto oder der Bahn zurückgelegt hat, benutzt Gorski jetzt das Elektrofahrrad: Die 20 Kilometer von seinem Amtssitz zum Haus des Kirchenkreises und alle Strecken im Stadtbereich sind damit mühelos zu bewältigen. Das Fahrgefühl mit voller Akku-Leistung findet der Propst prima: "Man fliegt den Berg hoch!" Allerdings verlangten 25 bis 30 Kilometer pro Stunde auch erheblich mehr Konzentration als das Radfahren ohne Elektroantrieb. "Man muss vorausschauend fahren," sagt Gorski.

Neugierige umringen den Probst und das Rad

Ein Mann der Kirche mit Kragen, Schlips und Anzug, der mit 30 km/h auf einem Fahrrad durch den Kirchenkreis braust - der macht neugierig. Oft bilden sich Menschentrauben um den Propst und das Rad und wollen wissen, was für ein Modell das denn ist, dieses neue Fahrrad mit dem Aufdruck "Kirche für Klima": Das Pedelec ist mit einem Akku ausgestattet, den man an jeder Steckdose aufladen kann und der je nach Fahrweise 40 bis 90 Kilometer weit reicht.

Jürgen Bollmann geht mit der elektrischen Energie sparsam um und schaltet den Motor nur ein "wenn's mir beim Treten zu schwer wird, wenn Gegenwind kommt oder wenn es bergauf geht." Manchmal gibt der trainierte Radfahrer auch über die Pedale Gas und kommt dann eben doch verschwitzt an - was soll's: "Man muss nicht zusätzlich noch Heimtrainer fahren, damit man sich den Speck von den Rippen fährt."

Ein wenig Werbung vom Propst kann das Pedelec durchaus gebrauchen. Denn es lagern noch mehr als 200 Räder bei der Hamburger Arbeitsgenossenschaft Wilhelmsburg EG, einer Firma, die gegründet wurde, um arbeitslose Menschen in Lohn und Brot zu bringen. Zunächst reparierten Ein-Euro-Jobber in zwei Hamburger Werkstätten alte Fahrräder, vor anderthalb Jahren machten die Angestellten sich dann als Genossenschaft selbständig.

Der Absatz läuft bisher ein wenig schleppend

Das Pedelec. Foto: Nordelbisches Missionszentrum

Seit Juni verkaufen die Werkstätten exklusiv die neuen Pedelecs. Wer eins haben möchte, darf es vor dem Kauf ausprobieren, betont die Pressesprecherin der Klimakampagne, Stefanie Weiss: Die Fahrer sollen testen, ob sie mit dem ungewohnten Schwung auch wirklich zurecht kommen. Pfarrer i.R. Hildebrand Henatsch, der die Werkstätten gegründet hat, ist ein wenig enttäuscht, weil bisher erst 30 Räder abgesetzt wurden. Viele seiner Kollegen hätten offenbar kein Interesse an einem Pedelec: "Sie sagen: Wir haben ja schon ein Fahrrad."

Vielleicht warten viele noch ab und machen es so wie Propst Jürgen Bollmann: Sein altes Rad war kaputt gegangen, und anstatt sofort ein neues zu kaufen, wartete er auf das Pedelec der Klimakampagne. Der Kreis der Kundschaft ist übrigens nicht auf die Pfarrerinnen und Pfarrer der Nordelbischen Kirche beschränkt. Jeder, der ein Elektrorad mit "Kirche-für-Klima"-Aufdruck fahren möchte, kann bei der Hamburger Arbeitsgenossenschaft Wilhelmsburg EG eines bestellen. 


Anne Kampf ist Redakteurin bei evangelisch.de und zuständig für die Ressorts Politik und Gesellschaft.