Der Papst und seine halbe protestantische Stunde

Der Papst und seine halbe protestantische Stunde
Eine halbe Stunde, nicht mehr und nicht weniger, sind für die Gespräche zwischen Papst und Vertretern der evangelischen Kirche in Erfurt anberaumt. Obgleich große ökumenische Schritte nicht zu erwarten sind, gilt das Treffen am 23. September im Erfurter Augustinerkloster als Höhepunkt des Deutschlandbesuches des Papstes.
19.09.2011
Von Barbara Schneider

Vor allem die Ortswahl wird von protestantischer Seite als wichtiges Symbol gewertet. Der Vizepräsident der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Thies Gundlach, sprach mit Blick auf Erfurt von einer "großen ökumenischen Geste". Ist die thüringische Landeshauptstadt doch eng mit der Person des Reformators Martin Luther verbunden. Hier trat Luther in das Augustinerkloster ein, hier wurde er Priester und legte im intensiven Bibelstudium das Fundament für die spätere Reformation.

Gleichwohl: Erfurt ist nicht Wittenberg, wo Luther seine 95 Thesen an die Schlosskirche genagelt haben soll, oder die Wartburg, der Ort der Bibelübersetzung ins Deutsche. "In Erfurt lebte Luther noch in Frieden mit dem Papsttum", sagt der Kirchenhistoriker Andreas Lindner über Erfurt, das einst wegen seiner zahlreichen katholischen Klöster und Kirchen den Beinamen das "deutsche Rom" trug. So gesehen ist Erfurt zuallererst auch ein Ort der katholischen Kirche.

An Luther kommt er nicht vorbei

An Luther wird der Papst in Erfurt jedoch nicht vorbeikommen. Das verdeutlichte schon ein Briefwechsel zwischen dem EKD-Ratsvorsitzenden Nikolaus Schneider und Benedikt XVI. Anfang des Jahres. Ging der Papst doch auf den Vorschlag des Ratsvorsitzenden ein, die Begegnung in Thüringen stattfinden zu lassen. In dem Land, in dem die Reformation ihren Ursprung nahm, sei "ein stärkerer ökumenischer Akzent notwendig", schrieb damals der Papst. Er "werde alles tun, damit die Begegnung mit den evangelischen Christen gebührend Raum erhält".

"Der Papst ist sich dessen bewusst, dass man genau auf das achten wird, was er zu Martin Luther sagen wird", ist sich der Vorsitzende der katholischen Bischofskonferenz, Robert Zollitsch, sicher. Er könne sich vorstellen, "dass aus der Begegnung mit den Vertretern der evangelischen Kirchen ein Auftrag erwächst, gemeinsam noch einige Dinge aufzuarbeiten, die uns trennen", sagte der Freiburger Bischof in einem Zeitungsinterview.

Die evangelische Kirche steckt mitten in den Planungen für das Reformationsjubiläum 2017. Mit Blick auf den 500. Jahrestag des Thesenanschlages von Martin Luther an die Wittenberger Schlosskirche ist daher die Erwartung auf eine wie auch immer geartete Zusammenarbeit mit der katholischen Kirche bei dem Jubiläum groß. Das Gespräch in Erfurt könne ein Impuls werden, die Reformation aus der Perspektive beider Kirchen in den Blick zu nehmen, beschrieb Gundlach die Intention.

Frauenordination, Rolle der Laien

Als weiteres mögliches Thema des Treffens nannte Gundlach das Taufpatenamt: Bisher können Protestanten bei einer katholischen Taufe nicht Paten sein. Ein Austausch über kontroverse Fragen, wie etwa die Ordination von Frauen oder die Rolle der Laien in der Kirche, steht unterdessen nicht zur Diskussion. Selbst bei der Frage, ob das Abendmahl für konfessionsverschiedene Ehepartner zur Sprache kommt, rechnet Zollitsch nicht mit einem entscheidenden Anstoß.

Denn auch dies sollte nicht aus dem Blick geraten: Der Papst gilt gemeinhin nicht als Verfechter einer Annäherung der beiden Konfessionen. Als Präfekt der Glaubenskongregation hatte Kardinal Joseph Ratzinger im Jahr 2000 das Papier "Dominus Iesus" verfasst. Die darin enthaltene Feststellung, die katholische Kirche sei die einzig wahre Kirche Christi, hatte damals heftige Proteste unter evangelischen Christen ausgelöst.

Und so setzt die evangelische Kirche mehr auf Zeichen denn auf Worte: Der Frauenanteil bei dem 35-minütigen Gespräch mit dem Papst ist hoch. Acht der 20 Delegierten sind Frauen. Und beim Wortgottesdienst, den Katholiken und Protestanten danach in der Augustinerkirche feiern, wird Synoden-Präses Katrin Göring-Eckardt ein geistliches Wort sprechen. Ein Signal - angesichts der konfessionellen Unterschiede in diesem Bereich.

epd