Leidenschaftlicher Talk bei "Tacheles" zum Papstbesuch

Leidenschaftlicher Talk bei "Tacheles" zum Papstbesuch
Seit Monaten sorgt der Besuch von Papst Benedikt XVI. in Deutschland für zahlreiche Diskussionen. Für die einen ist es eine langersehnte Reise, für die anderen eine gute Gelegenheit über die katholische Kirche und ihre Rolle zu sprechen. Nun war der Papstbesuchs Anlass für eine leidenschaftliche Debatte bei der evangelischen Talkshow "Tacheles". Moderator Jan Diekmann diskutierte mit den Gästen über das Thema "Der Papst und Luthers Erben: Einig im Glauben oder für immer getrennt".
18.09.2011
Von Rosa Legatis

Gleich zu Beginn betonte der Weihbischof des Erzbistums Hamburg, Hans-Jochen Jaschke: "Nicht alles, was der Papst sagt, ist unfehlbar. Als Mensch ist er nicht unfehlbar. Er muss beichten, er muss seine Sünden bereuen." Damit reagierte der Weihbischof auf die Aussage des Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche Deutschland (EKD) und Präses der Rheinischen Kirche, Nikolaus Schneider. Der hatte zum Einstieg der Diskussion aus Matthäus 22 zitierte: "Wir sollen Niemanden Vater nennen außer den Vater im Himmel".

Es wurde "Tacheles" geredet

Mit diese Äußerungen startete ein lebhaftes einstündiges Streitgespräch zwischen dem evangelischen Theologen Schneider, dem "Spiegel"-Redakteur Matthias Matussek als Vertreter der katholischen Kirche sowie der Journalistin und ehemaligen Chefredakteurin der "taz" Bascha Mika. Das ein oder andere Mal musste Moderator Jan Diekmann die Wogen zwischen seinen Diskussionsteilnehmern glätten. Leidenschaftlich wurde unter anderem über die Ansichten des Papstes zur evangelischen Kirche, dem Abendmahl und zu Frauen im Priesteramt diskutiert, dennoch blieb die Stimmung unter den Teilnehmern entspannt.

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"Kein freundlicher Ton", war für Nikolaus Schneider die Äußerung von Benedikt XVI., dass die evangelische Kirche keine Kirche im eigentlichen Sinne sei. Das müsse er nun sehr deutlich sagen. Und nach Bascha Mikas Meinung hält der Papst "die evangelische Kirche für einen großen Irrtum".  Weihbischof Jaschke wies das als "Unsinn" zurück. "Der Papst hat ein paar Mal gesagt, der Reichtum Christi ist so groß, dass ihn keine Kirche, keine Konfession allein ausschöpfen kann."

Laut einer Emnid-Umfrage im Auftrag von "Tacheles" und der "Evangelischen Zeitung" sind 71 Prozent der Befragten der Meinung, dass ein gemeinsames Abendmahl wichtig wäre für ein Zusammenwachsen der evangelischen und katholischen Kirche. Präses Schneider sieht zwar Bemühungen des Papstes um die Ökumene, aber er erlebe ihn auch als "Bremser". Für Bascha Mika ist es unverständlich, dass die katholische Kirche "in der Ökumene wie eine Schnecke" vorankomme. "Als könnten wir 500 Jahre nach der Reformation nochmals 500 Jahre warten. Das ist doch albern, mit Verlaub!"

Der bekennende Katholike Matussek hob die besondere Bedeutung hervor, die das Abendmahl, oder die Kommunion, für ihn haben. "Bei uns geht es um die Realpräsenz, also dass Christus in diesem Moment wirklich bei uns ist. Das ist für uns nicht nur gesegnetes Brot". Auch für den Hamburger Weihbischof ist die Ökumene ein wichtiges Thema. Dennoch sagte er: "Tun wir nicht so, als seien die Kirchentrennung und was uns noch unterscheidet, unwesentlich! Sie hat auch Konsequenzen für die gemeinsame Kommunion. Aber: Die katholische Kirche lade nicht aktiv ein, "sondern wir werden keinen, der hinzutritt, zurückweisen".

Kirchenverständnis ist "das dicke Brett"

Als Demütigung empfindet Bascha Mika, dass Frauen nach wie vor in der katholischen Kirche keine Priesterinnen werden dürfen. Hans-Jochen Jaschke hielt dagegen, dass Frauen eine starke Rolle in der Kirche spielen würden. "Auch heute im Gemeindeleben, als Seelsorgerinnen." Es werde lebhaft darüber diskutiert, ob das Diakonenamt auch ein Amt für Frauen sein kann. In der evangelischen Kirche war die Ordination von Frauen "ein langer Diskussionsprozess", sagte der Vorsitzende der EKD. "Am Ende waren die Veränderungen möglich durch das Studium der Heiligen Schrift."

Matthias Matussek betonte hingegen: "Wir dürfen die Kirche nicht kaputt reformieren." Die katholische Kirche sei schon protestantisch. Nach Meinung des Spiegel-Autors wäre der Protestantismus bei den Protestanten besser aufgehoben. Für Weihbischof Jaschke ist die katholische Kirche hingegen so weit, "dass wir von Martin Luther sehr viel lernen können". Dass sich beide Kirchen näher gekommen sind, sieht auch Präses Schneider so. Allerdings trenne sie noch das Amts- und Kirchenverständnis. "Das ist das dicke, harte Brett, an dem wir weiter bohren müssen."

Die "Tacheles"-Sendung ist in der Marktkirche Hannover aufgezeichnet worden. Im Anschluss an die Fernsehaufzeichnung konnten die Zuschauer erstmals ihre eigenen Fragen an die prominenten Gäste richten. Die Antworten sind im Internet unter www.tacheles.tv zu sehen. Die Talkshow wird am Mittwoch, 21. September, im Rahmen der aktuellen Berichterstattung zum Papstbesuch und am Sonntag, 2. Oktober, um 17 Uhr bei Phoenix ausgestrahlt. Die Talkshow wird getragen von der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), der hannoverschen Landeskirche und der Klosterkammer Hannover.


Rosa Legatis arbeitet als freie Journalistin in Hannover.