Friedenstreffen betont politische Rolle der Religionen

Friedenstreffen betont politische Rolle der Religionen
Spitzenvertreter aus Politik und Kirchen haben beim Internationalen Friedenstreffen in München die Bedeutung der Religionen für die Zukunft der Gesellschaft unterstrichen. Das Treffen der katholischen Sant'Egidio-Gemeinschaft geht am Dienstagabend mit einer Friedensprozession und einer Schlussveranstaltung auf dem Marienplatz der bayerischen Landeshauptstadt zu Ende.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sagte, Religionen und Kirchen prägten die Einstellungen und Meinungen in einer Gesellschaft. An diese Einstellungen müssten politische Entscheidungen anknüpfen. Religionen hätten immer wieder den Mut zur Hoffnung verkündet, so die Regierungschefin. Bei aller Trennung zwischen Kirche und Staat und zunehmender Säkularisierung dürfe niemals vergessen werden, "dass wir als Menschen ohne den Glauben an Gott schnell überheblich werden".

Merkel warb erneut für eine Zwei-Staaten-Lösung im Nahostkonflikt. Es müssten ein jüdischer Staat Israel und ein palästinensischer Staat entstehen, sagte sie. Um einen dauerhaften Frieden zu ermöglichen, seien "schmerzhafte Kompromisse" nötig. Die Kanzlerin sprach am Montagabend vor hunderten Gästen im Münchner Herkulessaal; zahlreiche weitere Teilnehmer verfolgten die Ansprache andernorts über eine Leinwand.

Schäuble: Einheit Europas voranbringen

Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) rief angesichts der weltweiten Schuldenkrise dazu auf, die Einheit Europas voranzubringen. Doch dazu brauche es länderübergreifende Regeln mit dem Ziel, einen globalen Wohlstand für die sieben Milliarden Menschen auf der Erde zu schaffen, sagte Schäuble am Dienstag bei dem Treffen. "Wir haben Verantwortung für uns und für die Welt", sagte der CDU-Politiker im Beisein seines italienischen Amtskollegen Giulio Tremonti und des Münchner Erzbischofs, Kardinal Reinhard Marx. Ohne Grenzen und Regeln könne der Mensch nicht leben, sagte Schäuble: Denn die "großen Antriebskräfte" des Menschen seien "Eigennutz und der Wille nach Freiheit".

Kardinal Marx forderte eine soziale Marktwirtschaft auf europäischer Ebene. Diese Ordnung habe sich bewährt und sei bereits im Lissabon-Vertrag verankert. Aufgabe sei es nun, diese Idee "weiter zu verfolgen und mit Leben zu füllen". Der Sozialethiker betonte: "Europa hat jetzt die Riesenaufgabe der Welt zu zeigen, wie man eine Wirtschaftsordnung schafft, die dem Menschen und dem Gemeinwohl dient." Ferner sprach sich Marx für die Einführung einer Finanztransaktionssteuer aus. Sein Eindruck sei, dass nach dem Ausbruch der weltweiten Wirtschaftskrise vieles beim Alten geblieben sei. Auch die Regulierung des Bankenwesens komme nur langsam voran. Für die Einführung der Finanztransaktionssteuer machen sich die beiden großen Kirchen in Deutschland stark.

Marx hatte am Montagabend zu einem verstärkten Engagement für den Frieden aufgerufen. Frieden müsse zur täglichen Arbeit eines jeden Menschen gehören. Denn nur mit der gemeinsamen Anstrengung aller Menschen könnten Friedensprozesse in Gang gesetzt werden. Der bayerische evangelische Landesbischof Johannes Friedrich hob die Bedeutung von Toleranz und Dialog hervor, inbesondere im Dialog mit dem Judentum. Die Kirche müsse sich von "jeglicher Judenfeindschaft" lossagen. Der Antijudaismus stehe dem "innersten Wesen des christlichen Glaubens" entgegen, so Friedrich bei einer Podiumsdiskussion im  Münchner Rathaus.

"Flüchtlinge fair behandeln"

Zahlreiche Foren und Podiumsdiskussionen widmeten sich der Frage nach konkreten politischen Veränderungen. Der Leiter des UN-Hochkommissariats für Flüchtlinge (UNHCR), Daniel Endres, forderte etwa eine gemeinsame europäische Asylpolitik. Eine ungerechte Behandlung von Flüchtlingen könne nur vermieden werden, wenn sich Europa auf ein System einige. "Wir müssen sicherstellen, dass alle Flüchtlinge gleichermaßen fair behandelt werden", sagte Endres.

Für ein Umdenken in Bezug auf Atomkraft plädierten verschiedene Geistliche aus Japan. Die Katastrophe von Fukushima habe gezeigt, dass der Mensch von egozentrischem Handeln getrieben sei. Jeder Eingriff in die Natur habe aber Konsequenzen. Eine radikale Veränderung der Weltanschauung forderte der Buddhist Shoju Nakagawa. "Die Katastrophe ist eine Aufforderung, uns mit geringeren Ansprüchen zufrieden zu geben", sagte er. "Wir dürfen uns nicht weiter atemlos und blind im Strom dahintreiben lassen."

Das Friedenstreffen von Sant' Egidio findet seit 1987 jährlich an verschieden Orten statt. Die Veranstaltung soll den Dialog zwischen den christlichen Konfessionen und den großen Weltreligionen fortführen, den Papst Johannes Paul II. vor 25 Jahren mit dem Weltgebetstag für den Frieden in Assisi 1986 begonnen hatte. Das Treffen in München mit rund 10.000 Teilnehmern war das zweite in Deutschland nach Aachen im Jahr 2003. Der Gründer der Gemeinschaft und Initiator der Tagung, Andrea Riccarci, erklärte, dass Frieden nicht eine Sache der Politik sei, sondern eng mit Spiritualität verbunden sei. Er hoffe, dass das Friedenstreffen dabei helfe, an der Zukunft des "Haus Europa" zu bauen.

epd