Kein Bier im Bus: Pro und Contra Alkoholverbot

Kein Bier im Bus: Pro und Contra Alkoholverbot
Hamburg verbannt Alkohol aus Bussen und Bahnen. Bierleichen zwischen hin und her rollenden Flaschen in der U-Bahn, Gelage auf dem S-Bahnsteig, fröhliches Vorglühen auf dem Weg zur Party: All das endet heute, am 1. September. Ab dem 1. Oktober werden dann Bußgelder fällig. Ist das Verbot sinnvoll? Oder doch eher nicht zielführend? Ein Pro/Contra zum Thema.
01.09.2011
Von Bernd Buchner und Hanno Terbuyken

Pro: Jeder Schluck weniger ist gut für alle

Ein Bild, das jedem Drogenbeauftragten einen kalten Schauer über den Rücken jagt: In Werner Höfers "Internationalem Frühschoppen" wurde dereinst fleißig gequalmt, wahlweise Zigaretten oder Zigarren, und dazu ordentlich Wein getrunken. Sonntag mittags im öffentlich-rechtlichen Fernsehen. Doch das ist lange vorbei. Außer Helmut Schmidt darf in deutschen TV-Studios heute niemand mehr ungestraft rauchen; dass in Talkshows geistige Getränke gereicht werden, ist ebenfalls selten geworden.

Beim Nikotin hatte die Verbannung aus dem Fernsehen Signalwirkung. Inzwischen herrscht in so gut wie allen öffentlichen Räumen Rauchverbot, weitgehend auch in Kneipen und Restaurants. Auf Bahnhöfen und Flughäfen werden Anhänger des Glimmstängels in eng begrenzte Zonen oder Glaskäfige gezwängt. Das ist gut so, denn Rauchen schadet der Gesundheit – nicht nur jener der Raucher. Beim Alkohol ist das anders. Wer säuft, ob öffentlich oder privat, belastet zunächst einmal nur seine eigene Gesundheit.

Dennoch ist das Alkoholverbot, das von Donnerstag an in Hamburgs Bussen und Bahnen gilt, richtig und sinnvoll. Auch wenn das Trinken in der Öffentlichkeit von manchen als Freiheitsrecht angesehen werden mag, hier ist die Sicherheit ein höheres Gut. Dass auch Promillejünger befördert werden müssen, steht außer Frage. Doch ohne Sekt und Wodka in der Bahn sinkt das Aggressionspotenzial in der S-Bahn; und ein Betrunkener, der nicht noch eine halbvolle Bierflasche in der Hand hält, ist das kleinere Übel und verbreitet deutlich weniger Beklemmungen und Ängste.

Ein weiteres Argument ist die "Vorbild"-Wirkung. Seitdem das Rauchen so strikt aus der Öffentlichkeit verbannt wurde, hat die Neigung von Kindern und Jugendlichen zum Nikotin deutlich nachgelassen. Warum sollte das nicht auch beim Alkohol funktionieren? Wenn 14-Jährige in der U-Bahn den Älteren beim Trinken zusehen können, und man kann dort eben kaum wegsehen, werden sie zum Nachmachen animiert – in Einzelfällen sogar zum Mittrinken angestiftet. Dem treten die Behörden in der Hansestadt nun entgegen.

Letztlich gilt es auch an eine ganz einfach Weisheit zu erinnern: Alkohol ist nicht nur im Straßenverkehr alles andere als ein Kavaliersdelikt. Von einem Feierabendbier oder einem guten Glas Wein zum Essen ist noch niemand umgefallen – aber 75.000 Alkoholtote jedes Jahr allein in Deutschland sprechen eine deutliche Sprache. Die Abhängigkeit von Prozentigem zählt zu den verbreitetsten Volkskrankheiten im Land. Die Kosten durch Alkoholmissbrauch gehen in die Milliarden. Jeder Schluck, der nicht getrunken wird, und sei es in Bus und Bahn, ist gut fürs Land.

Bernd Buchner


Contra: Weitgehend wirkungsloser Aktionismus

Hamburg verbietet das Alkoholtrinken in Straßenbahnen und Bussen. Aber was soll durch das Verbot erreicht werden? Treffen sich die Menschen in Hamburg etwa nüchtern in der Straßenbahn, um betrunken wieder auszusteigen? Frank Horch, Hamburger Senator für Verkehr, hat drei Antworten: Die Bahnen sollen attraktiver werden, alle Fahrgäste sollen sich sicher fühlen, und Unentschlossenen soll der Umstieg auf die Öffis leichter gemacht werden. Der Geschäftsführer des HVV, Lutz Aigner, will Fahrgästen "ein besseres Gefühl" geben.

Das alles kann das Verbot erreichen, in der Straßenbahn Bier zu trinken? Respekt. Wenn doch alles so einfach wäre. Ist es aber nicht. Was die Hamburger nämlich eigentlich wollen, ist, Betrunkene aus der Straßenbahn zu verbannen. Denn wenn es Probleme gibt, gibt es die mit dem Menschen, nicht mit dem Alkohol.

Die drei jungen Frauen, die am Samstagabend mit einer Flasche Sekt in der Bahn in Richtung Disco unterwegs sind, sind kein Sicherheitsrisiko. Ebenso wenig wie die Partygäste, die jeder mit einem Bier in der Hand die einladende WG ansteuern. Das Verbot zielt viel eher auf den nach Alkohol stinkenden Penner mit der Flasche Korn von der Supermarktkasse, der Leute bedrängt, die grölenden Punks mit zwei Bierkästen für fünf Leute, die alle anderen Bahngäste nerven, oder den Skinhead mit den weißen Schnürsenkeln, der nachts um drei so aussieht, als würde er dem nächsten Typen die Bierflasche über den Kopf ziehen. Um mal drei Beispiele zu nennen, die ich schon erlebt habe.

Aber der Penner wird weiterhin Bahn fahren, die Punks grölen trotzdem, und der Skinhead macht seine Aggression nicht an der Bierflasche fest. Wer volltrunken in die Bahn einsteigt, macht nicht weniger Probleme, nur weil er kein offenes Bier in der Hand haben darf (ein geschlossenes ja nach wie vor). Und der HVV betont auf seiner Webseite: "selbstverständlich kann jeder, der vorher etwas getrunken hat, auch weiterhin mit dem HVV fahren".

Warum also das Verbot? Auf mich wirkt es aktionistisch – seht her, wir tun was! Aber es wird nichts ändern. Unangenehme Leute sind mit oder ohne offenes Getränk unangenehm, betrunkene Leute bleiben betrunken. Was ist der nächste Schritt: Alkohol in den Bahnstationen verbieten? In der Fußgängerzone? Beim Grillen im Park?

Rauchen ist übrigens kein guter Präzedenzfall. Zigarettenrauch stört und schädigt die Menschen drumherum von allein. Alkohol allein tut das nicht – dafür braucht es einen Trinker. Wenn der HVV konsequent das Fahrerlebnis in seinen Bahnen verbessern wollte, müsste er Betrunkene direkt verbannen. Das geht nicht, also soll es das Trinkverbot richten. Aktionismus. Mehr nicht.

Hanno Terbuyken


Bernd Buchner und Hanno Terbuyken sind Redakteure bei evangelisch.de.