"Klares Signal der Unterstützung für das neue Libyen"

"Klares Signal der Unterstützung für das neue Libyen"
Der eine Gaddafi-Sohn verhandelt über eine Kapitulation, da ruft der andere zum Kampf auf und verspricht den Sieg gegen die Rebellen. Verwirrende Signale eines sterbenden Regimes. In Paris beschließt die Staatengemeinschaft Hilfen für das neue Libyen. Deutschland ist bereit, eingefrorene Gelder des Gaddafi-Regimes freizugeben.

Nach dem Sturz von Muammar al-Gaddafi greift die internationale Staatengemeinschaft den neuen Machthabern in Libyen beim Wiederaufbau rasch unter die Arme. In Paris trafen am Donnerstag Vertreter von rund 60 Staaten ein, um mit dem libyschen Übergangsrat die Hilfe in Milliardenhöhe zu koordinieren. Die Europäische Union hatte vor der Konferenz ihre Wirtschaftssanktionen gelockert. In Libyen verlängerten die Rebellen ein Ultimatum gegen die Gaddafi-Truppen in Sirte, der Geburtsstadt Gaddafis, um eine Woche. Sie wollen ein Blutvergießen vermeiden.

Der von fast 80 Ländern anerkannte Übergangsrat fordert unter anderem, dass alle eingefrorenen libyschen Auslandsguthaben so schnell wie möglich freigegeben werden. Mit dem Geld sollen unter anderem Mitarbeiter im öffentlichen Dienst bezahlt werden, die seit Monaten auf Löhne und Gehälter warten. Darüber hinaus muss dringend die Wasser- und Abwasserversorgung der Hauptstadt Tripolis sichergestellt werden. In der Millionenmetropole haben sechs von zehn Einwohnern noch immer kein Wasser.

Sanktionen sollen gelockert werden

Gastgeber der Konferenz sind der französische Staatspräsident Nicolas Sarkozy und der britische Premierminister David Cameron. Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte ihre Teilnahme zugesagt. Russland und China, die sich wie Deutschland bei der Abstimmung über die Libyen-Resolution im UN-Sicherheitsrat enthalten hatten, haben ebenfalls ihre Teilnahme zugesagt, die Chinesen lediglich als Beobachter. Dagegen hatte Russland vor der Konferenz den Übergangsrat als rechtmäßigen Vertreter des libyschen Volkes anerkannt.

Bundeskanzlerin Merkel (CDU) sagte Libyen bereits vor Konferenzbeginn Hilfe zu. "Deutschland wird einen erkennbaren Beitrag leisten", sagte sie am Donnerstag in Berlin. "Libyen hat durchaus finanzielle Kapazitäten, aber es wird an technischer Hilfe sehr schnell vieles notwendig sein und auch beim Aufbau demokratischer Strukturen", sagte die Kanzlerin.

Die EU kündigte vor dem Treffen in Paris an, dass sie die gegen das Gaddafi-Regime verhängten Sanktionen lockern werde. 28 Unternehmen, Banken oder Behörden würden von der Strafliste genommen, berichteten Diplomaten in Brüssel. Die Aufhebung werde frühestens Freitag mit der Veröffentlichung im Amtsblatt der EU rechtlich wirksam. Dagegen bleiben die EU-Einreiseverbote gegen Mitglieder der Familie Gaddafis weiter bestehen.

Außenminister Guido Westerwelle (FDP) begrüßte die Entscheidung der EU: "Damit setzen wir ein klares Signal der Unterstützung für das neue Libyen beim Wiederaufbau und auf seinem Weg in Richtung Demokratie. Die Aufhebung von Sanktionen und die Freigabe eingefrorener libyscher Gelder sind für schnelle humanitäre Hilfe und einen erfolgreichen politischen Neuanfang entscheidend."

Eine Woche Bedenkzeit für Gaddafi-Getreue in Sirte

Derzeit versuchen die libyschen Rebellen, die Geburtsstadt Gaddafis ohne Blutvergießen unter Kontrolle zu bringen. Ein Ultimatum, wonach sich die letzten Gaddafi-Getreuen in der 75.000 Einwohner zählenden Stadt Sirte bis Samstag ergeben sollen, wurde nach übereinstimmenden Medienberichten um eine Woche verlängert. Sirte ist die letzte libysche Stadt entlang der Küste von der Grenze zu Ägypten bis nach Tunesien, die noch nicht in Hand der Rebellen ist. Darüber hinaus haben die Aufständischen noch keine Kontrolle über weite Teile des dünn besiedelten Südens.

Während die internationale Gemeinschaft bereits mit den neuen Machthabern in Libyen zusammenarbeitet, fällt das Gaddafi-Regime immer weiter auseinander. Eine Woche nach dem Fall von Tripolis gehen den libyschen Rebellen immer mehr alte Top-Funktionäre ins Netz. Arabische Medien meldeten am Donnerstag, in einem westlichen Vorort der Hauptstadt Tripolis sei bereits am Dienstag der letzte Außenminister, Abdelati al-Obeidi, festgenommen worden. Auch Abdullah al-Hedschasi, ein ehemaliger Vertrauter, sei gefasst worden. Bei dem Versuch, die Grenze nach Tunesien zu überqueren, habe man zudem einen Neffen Gaddafis festgesetzt.

Die Rebellen haben nach Angaben eines Kommandeurs Anhaltspunkte, wo Gaddafi untergetaucht ist. Gaddafi sei in die 150 Kilometer südlich von Tripolis gelegene Stadt Bani Walid geflohen, sagte der Rebellenkommandeur Abdelmadschid Mlegta dem Fernsehsender Free Libya TV. Auch Gaddafis Sohn Saif Al-Islam soll sich in der Wüstenstadt versteckt halten. An diesem Donnerstag wollte das Regime eigentlich Jubelfeiern zum 42. Jahrestag von Gaddafis Machtergreifung ausrichten.

Gaddafis Söhne: Einer verhandelt, der andere kämpft

Von den Söhnen des untergetauchten Diktators kommen völlig widersprüchliche Signale. Al-Saadi Gaddafi (rechts im Bild, Foto: dpa) will angeblich ein Blutvergießen verhindern und verhandelt nach Angaben der Rebellen bereits über Sicherheitsgarantien für eine Kapitulation. Dagegen rief sein Bruder Saif al-Islam (links) die Anhänger des Regimes mit Durchhalteparolen zum Kampf auf und versprach den baldigen Sieg. Beide gaben an, im Namen ihres Vaters Muammar al-Gaddafi zu sprechen.

"Greift die Feinde an, wo immer sie sind", sagte Saif al-Islam Gaddafi am Mittwochabend nach CNN-Berichten in einer vom arabischen Sender Al Rai TV ausgestrahlten Botschaft. "Der Sieg ist nah", versprach der zweitälteste Sohn Gaddafis. Die Gegner des Regimes nannte er "Verräter und Ratten." Er halte sich in einem Vorort der Hauptstadt Tripolis auf. Seinem Vater gehe es gut. "Wir trinken Tee und Kaffee", sagte er.

Sein jüngerer Bruder Al-Saadi Gaddafi gab nach Berichten des arabischen Nachrichtensender Al-Dschasira in einem Interview mit einem arabischen TV-Sender ebenfalls an, im Namen seines Vaters zu handeln. Er sei autorisiert, mit dem Übergangsrat über ein Ende des Blutvergießens in Libyen zu sprechen, habe der 38-Jährige gesagt.

dpa