Lutherdekade soll mit Vorurteilen aufräumen

Lutherdekade soll mit Vorurteilen aufräumen
Die Bischöfin der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland (EKM), Ilse Junkermann, sieht im Reformationsjubiläum 2017 eine Chance für das innerdeutsche Zusammenwachsen. Die Kritik des Wittenberger Theologen Friedrich Schorlemmer an Aktionen der Lutherdekade bewertet sie positiv.
30.08.2011
Von Thomas Schiller und Karsten Wiedener

"Das Lutherjubiläum bietet die Möglichkeit, dass Menschen in den Osten Deutschlands kommen, sich ein eigenes Bild machen und ihre Vorurteile korrigieren", sagte die Bischöfin. Auf dem Gebiet der EKM liegen die Luther-Orte Wittenberg, Eisleben, Erfurt und Eisenach mit der Wartburg.

Dem Großereignis begegnet Junkermann auch mit Skepsis: "Wir müssen sehr darauf achten, was möglich ist." Es sei darauf zu achten, welche Kräfte zu aktivieren seien und wo man sich überfordere. "Wir überlegen derzeit, wie konkret in Wittenberg gefeiert wird", sagte die Bischöfin. Offen sei die Frage, ob es eine große Zentralveranstaltung vergleichbar zu einem katholischen Weltjugendtag geben solle. Sie warnte vor "Veranstaltungsformaten, die abschreckend wirken können und kirchenkritische Einstellungen verstärken".

"Zu wenig Leute, die kritisieren, provozieren und zuspitzen"

Für die Mitteldeutsche Kirche bedeutet das Reformationsjubiläum nach Einschätzung ihrer obersten Theologin eine Chance, ihren gesellschaftlichen Anspruch zu festigen. "Die Kirche hat einen grundsätzlichen öffentlichen Auftrag." Dies sei nicht bei allen im Innersten verankert, auch wenn es ein hohes politisches Engagement während der Wende 1989 gegeben habe. "Für eine Kirche in einer extremen Minderheitssituation birgt das die Chance, Selbstbewusstsein zu entwickeln", sagte die Bischöfin, die an der Spitze von rund 850.000 Protestanten in Sachsen-Anhalt und Thüringen steht.

Junkermann mahnte eine Konzeption der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) für die Lutherdekade an. Sie bekräftigte ihre Kritik an der Verfahrensweise zur Benennung der früheren EKD-Ratsvorsitzenden Margot Käßmann als Botschafterin für das Reformationsjubiläum. Sie begrüße die Personalentscheidung, hätte sich aber vorher zunächst einen Konsens mit der EKD über die Ziele gewünscht. Das Konzept für 2017 beschäftigt derzeit die kirchlichen Gremien. Der Beratungsprozess der Landeskirchen und der EKD ist noch nicht abgeschlossen.

Die kritischen Äußerungen des Wittenberger Theologen und Bürgerrechtlers Friedrich Schorlemmer an Aktionen der Lutherdekade wertete Junkermann als eine Belebung der öffentlichen Aufmerksamkeit: "Kritik ist die Hefe der Demokratie. Und wir haben zu wenige Leute, die so wie Schorlemmer kritisieren, provozieren und zuspitzen können." Als Beispiel nannte sie Schorlemmers beißende Kritik an einer Kunstaktion vor dem Wittenberger Rathaus mit kleinen bunten Lutherfiguren aus Kunststoff: "Sie hat viel Publicity gebracht, die öffentliche Diskussion angeheizt und die Aufmerksamkeit für die gesamte Aktion letztlich gefördert."

 

epd