Auch in Senegal ist Facebook ein Sprachrohr des Unmuts

Auch in Senegal ist Facebook ein Sprachrohr des Unmuts
Nach den arabischen "Facebook-Revolutionen" kommt auch das westfrikanische Senegal in Bewegung: Im Januar gründeten senegalesische Rapper die Bewegung "y'en a marre", zu deutsch: "Jetzt reicht's". Dank Facebook wurde das Kollektiv auch im Ausland zum Sprecher der wütenden Bürger, die die Nase voll haben von Stromausfällen und teurem Leben und die Präsident Abdoulaye Wade 2012 keine dritte Amtszeit antreten lassen wollen.
29.08.2011
Von Martina Zimmermann

Zwar spielt Facebook im Senegal bei weitem nicht so eine herausgehobene Rolle wie bei den Protesten in den arabischen Ländern. Aber aus dem Alltag des westafrikanischen Landes sind Internet und soziale Netzwerke zumindest in der Hauptstadt Dakar nicht wegzudenken. Dakar ist die Stadt mit den meisten W-Lan-Empfangspunkten in Westafrika.

Die Rapper von "y'en a marre" werden nicht nur auf Demonstrationen beklatscht, sie haben über soziale Netzwerke im Internet auch internationale Bekanntheit erreicht: Rund 9.000 Freunde auf ihrer Facebook-Seite und 17.000 in einer geschlossenen Gruppe, die auch im Ausland über Demonstrationstermine und Aktionen informiert werden.

In Dakar ist das Studio Sankara des Rappers Didier Awadi von "y'en a marre" weithin bekannt. Hier steht modernste importierte Tontechnik, Internet funktioniert sogar, wenn im Viertel Sicap Amitié II wie jeden Tag der Strom für mehrere Stunden ausfällt. Ein Dieselgenerator sorgt für Elektrizität rund um die Uhr. "Wir wollten unsere Clips selbst machen statt sie in Europa zu produzieren", sagt der 42-jährige Awadi.

Der Pionier der senegalesischen Rapbewegung ist heute ein international bekannter Künstler. Sein Studio Sankara mieten Musiker, Werbefachleute produzieren hier Jingles und TV-Werbung. "Wir bilden uns fort, lesen auf Foren, genauso wie junge Franzosen, Amerikaner oder Deutsche."

Soziale Netzwerke beeindruckt Kinder

In Niakhar, einem Dorf 155 Kilometer südlich von Dakar im ländlichen Sine Saloum, sieht die Realität anders aus. Erst seit April funktionieren die vier Computer im "Haus des Kindes", die die Kinderhilfsorganisation World Vision finanziert hat. Die 30-jährige Koumba Sall beaufsichtigt Kinder und Jugendliche bei ihren Internet-Recherchen für die Schulaufgaben. Doch am meisten beeindrucke die Kinder Facebook, sagt die Senegalesin: "Sie wollen ihre Seite aufmachen und Freunde haben."

Senegal hat elf Millionen Einwohner, davon sind über die Hälfte unter 20 Jahre alt. Internet sei wichtig für die Zukunft, meint der Geschichtslehrer Michel Drahme. "Die Schüler müssen Informationen sammeln können."

Bescaye Seck ist Küchenchef im "Safari Beach", einem bekannten Restaurant im Touristenort Saly an der "Kleinen Küste", der "Côte d’Azur" Senegals. Der Badeort liegt 80 Kilometer von Dakar entfernt. Der 41-jährige Koch teilt seine Rezepte auf Facebook mit Kollegen in Europa, Amerika und Südamerika. "Ich habe sogar einen Arbeitgeber in Frankreich gefunden, der mich über Facebook einstellen wollte", erzählt der Senegalese stolz. Bescaye Seck hat das Angebot abgelehnt. Der mit einer Krankenschwester verheiratete Koch ist mit seinem Leben im Senegal zufrieden.

Zahlreiche Internetcafés ermöglichen weltweite Kontakte

Wer kein eigenes Laptop hat, muss mit einem der zahlreichen Internetcafés Vorlieb nehmen, die es in größeren Kommunen an jeder Straßenecke gibt. Auch Abdou Abdourahme Dia alias Cool MC ist auf Facebook. Der 28-jährige Rapper verdient sein Auskommen in der Bar einer Touristenresidenz in Saly. Hier funktioniert das Netz rund um die Uhr, bei Stromausfällen wird der Generator angeworfen.

Seine Facebook-Seite nutzt der junge Mann seit vier Jahren, um für seine Konzerte zu werben. Er bezeichnet sich als unpolitisch, seine Texte handeln von sozialen Problemen wie Drogensucht. Doch angesichts der bevorstehenden Präsidentschaftswahlen diskutiert Abdou nun auch über Politik auf seiner
Facebookseite: "Wenn bei der Wahl getrickst wird, wird eine Revolte ausbrechen. Ich bin als erster mit dabei!"

Präsident Abdoulaye Wade ist bei der senegalesischen Jugend ausgesprochen unpopulär: "Ich sag nicht wie die Tunesier zu Benali: Hau ab! Ich drücke es anders aus: Er hat hier nicht mehr seinen Platz".

Eine Facebook-Revolution nach tunesischem Vorbild gilt im Senegal aber als unwahrscheinlich. Zu wenig Haushalte haben landesweit Zugang zum Internet. "Welcher Familienvater kann 10.000 CFA-Francs im Monat ausgeben für ein Internetabonnement?", fragt Küchenchef Bescaye Seck. Die Summe entspricht rund 15 Euro – ein Vermögen in einem Land, in dem der Mindestlohn bei nicht einmal 80 Euro im Monat liegt und die Arbeitslosigkeit unter jungen Leuten sehr hoch ist.

epd