Fall Strauss-Kahn: Zeugin ist nicht glaubwürdig

Fall Strauss-Kahn: Zeugin ist nicht glaubwürdig
Die New Yorker Staatsanwaltschaft hat ihre Anklage gegen Dominique Strauss-Kahn wegen versuchter Vergewaltigung offiziell zurückgezogen. Oberstaatsanwalt Cyrus Vance bat den zuständigen Richter Michael Obus am späten Montag, das Verfahren gegen den Ex-Chef des Internationalen Währungsfonds zu schließen. In seiner Begründung beschreibt der Staatsanwalt das angebliche Opfer, das Zimmermädchen Nafissatou Diallo aus Guinea, als mehrfache Lügnerin.

Das 25-seitige Dokument wurde auf der Internetseite der New Yorker Justiz veröffentlicht. Darin erläutert der Ankläger, dass er sich nicht in der Lage sehe, das Verfahren fortzusetzen. Das Zimmermädchen, das Strauss-Kahn der sexuellen Gewalt bezichtigt, habe bei wiederholten Vernehmungen zu großen und zu kleinen Fragen hartnäckig und manchmal unverständlich die Unwahrheit gesagt. Im Text heißt es: "Im Ergebnis hat die Klägerin beharrlich, und manchmal unerklärlicherweise, die Unwahrheit gesagt, als sie sowohl wichtige, als auch weniger wichtige Angelegenheiten beschrieb."

Da aber der Fall gegen den einst mächtigsten Banker der Welt mit der Aussage der einzigen Zeugin "steht und fällt", sehe er keinen anderen Weg, als die Anklage aufzugeben, schreibt Vance. Diallo erregte mit ihrer ersten Schilderung vom angeblichen Tathergang keinen Verdacht, verteidigt sich der Staatsanwalt. Bei weiteren Nachfragen habe sie dann aber bis zu drei verschiedene Versionen von wichtigen Details geliefert. Das mache es der Staatsanwaltschaft unmöglich, die Anklage gegen Strauss-Kahn zweifelsfrei vor einer Jury zu vertreten.

Auch unter Eid nicht die Wahrheit gesagt

Unter anderem sei fraglich, ob das "Opfer" den angeblich unfreiwilligen Oralsex tatsächlich gegen ihren Willen und gewaltsam erzwungen durchführte. Die Zeugin sei sogar unter Eid von der Wahrheit abgewichen, räumt Vance ein. "Es fällt uns schwer, um den Abschluss des Verfahrens zu bitten", gesteht Manhattans Oberstaatsanwalt in dem Schreiben. Aber er habe keine andere Wahl. Sein Antrag ging noch am Abend beim Strafgericht ein und sollte am Dienstag in Anwesenheit von Strauss-Kahn bei einer schon länger geplanten Anhörung zur Sprache kommen, sagte eine Sprecherin der Justiz, Arlene Hackel.

Das spektakuläre Justizdrama um den 62-jährigen Strauss-Kahn (Foto: dpa) hatte am 14. Mai begonnen, also genau 100 Tage vor dem Bekenntnis seines Anklägers, einer Lügnerin aufgesessen zu sein. Fest stand bereits, dass der Franzose am Dienstag seine Pässe zurückerhalten würde und dann als freier Mann in seine Heimat zurückkehren könnte. Dort wartet zwar eine zweite Klage wegen angeblich sexueller Gewalt auf ihn, aber auch die Aussicht auf eine neue politische Karriere. Vor seiner Haft hatte Strauss-Kahn als aussichtsreicher Kandidat der Sozialisten für das Amt des französischen Präsidenten gegolten.

In Frankreich gaben sich Politiker aus beiden Lagern unterdessen erleichtert über die bevorstehende Einstellung des Falles. Manche seiner Anhänger äußern vorsichtige Hoffnung auf ein politisches Comeback. Der Zug für die Präsidentschaftskandidatur ist jedoch längst abgefahren. Der Chef der konservativen Regierungspartei UMP, Jean-François Copé, mahnte seine Parteifreunde zur Zurückhaltung. "Ich bin froh für ihn, denn er hat eine sehr schlimme Erfahrung mit der Justiz hinter sich. Ich kann mir seine Erleichterung und die seiner Familie vorstellen", sagte Copé. "Ich habe die Parteispitze gebeten, Zurückhaltung zu bewahren. Dabei werden wir bleiben", fügte er hinzu.

Freude bei den französischen Sozialisten

Große Freude herrschte bei den französischen Sozialisten, für die Strauss-Kahn gern in den Wahlkampf gezogen wäre. "Ich bin sehr glücklich", sagte Parteichefin Martine Aubry. Sie denke mit großem Mitgefühl an Strauss-Kahn und dessen Frau. Der ehemalige sozialistische Kulturminister Jack Lang sagte, der ehemalige IWF-Chef sei ein Opfer der US-Justiz geworden, die die Unschuldsvermutung mit Füßen getreten habe. "Ich bin sicher, dass Dominique wieder nach oben kommt. Auch wenn sein Weg zur Präsidentschaft verhindert wurde, wird es viele Möglichkeiten geben, um zu handeln und Einfluss zu nehmen", sagte er dem Sender LCI.

Politische Experten sehen die Rückkehr von DSK auf die politische Bühne jedoch mit Skepsis. "Sein Ruf ist dahin", erläuterte Gérard Grunberg von der Pariser Universität Science-Po. "Er wird keine führende Rolle mehr spielen." Manche Leitartikler bedauern, dass die Wahrheit letztlich nicht herauskommen wird. "Der Ausdruck 'reingewaschen' ist jedenfalls unangebracht", kommentierte die Zeitung "Le Progrès".

dpa