"Demokratiebewegungen stärker unterstützen"

"Demokratiebewegungen stärker unterstützen"
Der Friedensforscher Bruno Schoch, Mitherausgeber des Friedensgutachtens der Hessischen Stiftung Friedens- und Konfliktforschung, über das Ansehen des Westens, die Bedeutung neuer Medien für die arabischen Revolutionen und darüber, wie der Westen Demokratiebewegungen unterstützen kann.
22.08.2011
Von Jens Bayer-Gimm

Der nach den Anschlägen vom 11. September 2001 vom damaligen US-Präsidenten George W. Bush ausgerufene "Krieg gegen den Terror" hat Wissenschaftlern zufolge die Welt nicht friedlicher gemacht. Im Gegenteil hätten die von den USA angeführten Kriege in Afghanistan und im Irak zu unzähligen Toten geführt, sagte der Mitherausgeber des Friedensgutachtens der Hessischen Stiftung Friedens- und Konfliktforschung, Bruno Schoch. Nach kurzfristigen militärischen Erfolgen habe es an Konzepten zum Wiederaufbau gefehlt.

Die durch die US-Interventionen ausgelöste Gewalt im Irak und in Afghanistan sowie die gigantischen Kosten der Kriege hätten Bushs Anspruch zerstört, dass die USA die einzige globale Führungsmacht seien, die die Welt nach ihrem Vorbild formen könne, sagte Schoch. Die schockierenden Bilder vom US-Gefängnis Abu Ghuraib in Bagdad, von Guantánamo auf Kuba und der ungebändigten Gewalt in den Kriegsländern hätten das Ansehen der Vereinigten Staaten und des Westens in der Welt nachhaltig beschädigt.

"Revolutionen in arabischen Ländern schwächen Al Kaida"

In den westlichen Ländern selbst habe die Anwendung von Folter wie bei US-Verhören oder die Androhung von Folter wie im deutschen Ermittlungsverfahren gegen den Kindsmörder Magnus Gäfgen ein rechtsstaatliches Tabu gebrochen. "Grundrechte sind infrage gestellt worden, woran die Demokratie lange zu kauen haben wird", sagte Schoch.

Das Netzwerk Al Kaida ist nach Schochs Einschätzung inzwischen ziemlich hart getroffen. Nach dem 11. September 2001 hätten die Terroristen zwar noch viele Anschläge verübt, aber es sei ihnen keine vergleichbar spektakuläre Tat mehr gelungen. Al Kaida ist nach Schochs Erklärung aufgrund von "Globalisierungsblockaden" im Nahen Osten, besonders in Saudi-Arabien entstanden. Die gewaltsame Unterdrückung von Freiheitsrechten durch die Regierungen habe Terrorismus als Widerstandsform und die Moscheen als Mobilisierungsorte entstehen lassen.

Im vergangenen Jahrzehnt seien jedoch neue Medien mit den Fernsehsendern Al Dschasira und Al Arabija und der Internet-Kommunikation mit Facebook und Twitter entstanden, die die gesellschaftlichen Blockaden lösten. "Die Demokratiebewegungen und Revolutionen in arabischen Ländern während der vergangenen Monate sind das wirksamste Mittel, um Al Kaida zu schwächen", sagte Schoch. Die Menschen machten die Erfahrung, dass sie selbst die Gesellschaft verändern könnten.

Die EU müsste die Demokratiebewegungen viel stärker unterstützen, forderte Schoch. Während des Umbruchs in Osteuropa hätten westeuropäische Länder etwa Druckmaschinen oppositioneller Zeitungen finanziert. Heute könnten sie auch Kommunikationskanäle über das Internet bereitstellen. Auf wirtschaftlichem Gebiet sollte der Agrarmarkt der EU für Importe aus Ländern des Nahen Ostens geöffnet werden. Mikrokredit-Institute könnten die lokale Wirtschaft stärken.

 

epd