Menschenrechtler kritisieren das China-Kulturjahr 2012

Menschenrechtler kritisieren das China-Kulturjahr 2012
Der Künstler Ai Weiwei ist das prominenteste Opfer der Unterdrückung von Kunst- und Meinungsfreiheit in China - und nur ein Beispiel von vielen. Menschenrechtler sehen das chinesische Kulturjahr 2012 in Deutschland deshalb skeptisch.
17.08.2011
Von Ann Kathrin Sost

Wenige Tage nachdem Außenminister Guido Westerwelle (FDP) im April die deutsche Ausstellung "Kunst der Aufklärung" in Peking eröffnet hatte, wurde der chinesische Künstler Ai Weiwei festgenommen. Er ist das prominenteste Opfer der Unterdrückung von Kunst- und Meinungsfreiheit in China - und nur ein Beispiel von vielen. Deshalb sehen Menschenrechtler mit großer Skepsis dem chinesischen Kulturjahr entgegen, das China für 2012 in Deutschland plant. Anlass für die Veranstaltungsreihe ist der 40. Jahrestag der Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen China und der Bundesrepublik Deutschland.

"Es geht um alles, nur nicht um Kultur", prophezeit der Asienreferent der Gesellschaft für bedrohte Völker, Ulrich Delius. Der kommunistischen Führung gehe es um Propaganda: "Da kommen natürlich Parteivertreter und Leute, die das Plazet der KP-Funktionäre haben." Die Gesellschaft steht daher mit Ministerpräsidenten der Länder und den Oberbürgermeistern der großen Städte in Kontakt, um sie zu einem kritischen Umgang mit dem Kulturjahr zu bewegen. Delius verlangt, Vertreter von unterdrückten Minderheiten wie der Uiguren, Tibeter und Mongolen mit in die Planungen einzubeziehen.

Die Planung des Kulturjahrs bestimmt Peking allein

Ob das gelingt? Peking wolle letztendlich eine "Jubelveranstaltung", sagt Delius, "da möchte man keine Missklänge drin haben". Andererseits habe die Verhaftung Ai Weiweis viele Menschen in Deutschland empört. Der Konzeptkünstler, der in Berlin ein Atelier eröffnen und eine Professur antreten will, war am 22. Juni nach rund 80 Tagen Haft auf Kaution freigelassen worden. Er darf aber Peking offenbar weiter nicht verlassen.

Die Einflussmöglichkeiten auf das Kulturjahr sind begrenzt, denn die Planung liegt allein in chinesischer Hand. Das Goethe-Institut berät lediglich und vermittelt Kontakte, das Auswärtige Amt sieht die Zuständigkeit bei den deutschen Städten. Der Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, Markus Löning (FDP), rief China aber auf, beim Thema Menschenrechte und im Umgang mit den Medien "transparenter" zu werden, wenn das Kulturjahr ein Erfolg werden solle.

Beim PEN-Zentrum Deutschland hat man seit 2009 intensiv Erfahrungen mit dem deutsch-chinesischen Kulturaustausch gemacht: Auf der Frankfurter Buchmesse kam es damals zum Eklat, weil die Messe auch kritische Autoren eingeladen hatte. Im Jahr darauf wurde der Schriftsteller Liao Yiwu an der Reise zum Kölner Literaturfestival Lit.Cologne gehindert.

"Menschenrechte des Einzelnen für Peking kein Wert an sich"

Und alle Proteste und Preise halfen auch im Fall des 2009 zu elf Jahren Haft verurteilten Bürgerrechtlers Liu Xiaobo nichts. Als ihm Ende 2010 in Oslo der Friedensnobelpreis verliehen wurde, musste sein Stuhl leer bleiben. Auch den Hermann-Kesten-Preis des PEN-Zentrums konnte er nicht entgegennehmen.

"Kritik ficht die chinesische Regierung nicht an, so was wie Diplomatie findet da überhaupt nicht statt", sagt PEN-Generalsekretär Herbert Wiesner. Die Menschenrechte des Einzelnen seien für Peking "kein Wert an sich", entsprechende Forderungen würden als "westliche Verkrümmung des Denkens" angesehen.

Auf eine Absage oder einen Boykott des Kulturjahres will der PEN-Generalsekretär dennoch nicht drängen. "Wenn die westliche Welt sich nicht auf China einlässt, werden die Verhältnisse dort ja eher noch schwieriger", sagt er. Chinesische Kultur sollte aber nicht von Peking allein definiert werden. Zensur und Einreiseverbote dürften zudem keinesfalls hingenommen werden.

Wie ein China-Kulturjahr aussehen kann, zeigt der Blick auf Italien, wo es bereits ein Jahr früher stattfindet. Zum Auftakt wurde das römische Kolosseum in leuchtendes Rot getaucht. Und auf dem Programm steht unter anderem eine Tibetische Kulturwoche, reduziert auf Tanz und Folklore, organisiert von chinesischen Behörden.

epd