Checkpoint Charlie: Kalter Krieg zum Anfassen

Checkpoint Charlie: Kalter Krieg zum Anfassen
Das Berliner Mauermuseum am Checkpiont Charlie ist bei Touristen sehr beliebt. Denn hier, mitten im Zentrum der Macht, wo Amerikaner und Sowjets im Kalten Krieg ihre Muskeln spielen ließen, gibt es für Besucher Flucht-Geschichten zum Anfassen, ein bisschen gruselig und sensationsgeladen.
10.08.2011
Von Sigrid Hoff

Das fast 50 Jahre alte "Haus am Checkpoint Charlie" hätte nicht besser platziert werden können. Berlin-Touristen strömen ohnehin an diesen weltberühmten Ort, wo die Amerikaner und die Sowjets im Kalten Krieg ihre Muskeln spielen ließen. Und das direkt am ehemaligen alliierten Grenzübergang gelegene Mauermuseum erleichtert ihnen mit seinen authentischen Relikten die Zeitreise: Ein alter Opel, ein selbstgebasteltes Tauchgerät, ein Heißluftballon oder ein Mini-Schlauchboot. Hier erleben die Besucher Flucht-Geschichten zum Anfassen, ein bisschen gruselig und sensationsgeladen.

Mit dem heute über 2.000 Quadratmeter großen Museum wollte Rainer Hildebrandt 1962 auf das Unrechtssystem DDR aufmerksam machen. Seine Kontakte zu Fluchthelfern und Flüchtlingen bescherten ihm Objekte, um die Museumsleute das "Haus am Checkpoint Charlie" heute beneiden. Dafür unterstützte Hildebrandt die Menschen nach ihrer Ankunft im Westen: "Wenn die Flüchtlinge kamen, hat er als erstes sein privates Portemonnaie gezogen", berichtet die Witwe des 2004 gestorbenen Gründers, Alexandra Hildebrandt.

Das mit seinen vielen Exponaten überladen wirkende Museum hat sich in den letzten Jahrzehnten kaum verändert. Gleich am Anfang des Rundgangs, der keiner Systematik folgt, hängen noch immer Ausstellungstafeln aus der Gründungszeit, mit denen Rainer Hildebrandt in den 60er Jahren den Besuchern die Nachkriegsgeschichte erklärte: "Die Texttafeln sind genial, die sind 50 Jahre alt, die darf man nicht anfassen, das sind auch Museumsobjekte", unterstreicht die heutige Chefin Alexandra Hildebrandt.

Das Museum erstreckt sich heute über drei Häuser

Bis in die Sprache der Texttafeln hinein ist der Kalte Krieg in dem Haus noch erlebbar. Den aktuellen Wissensstand spiegeln sie nicht wider, dennoch geben Spezialisten wie Hans-Hermann Hertle vom Potsdamer Zentrum für Zeithistorische Forschung rückblickend zu: "Rainer Hildebrandt war als Kalter Krieger verschrien, aber er hat als einer der wenigen die Erinnerung an die Mauer wachgehalten."

In den vergangenen Jahren ist das Museum gewachsen, heute erstreckt es sich über drei Häuser bis zur Kochstraße. Es sind Räume hinzugekommen, die Menschenrechtsverletzungen weltweit anmahnen. Alexandra Hildebrandt, die aus der Ukraine stammt, hat vor allem Putins Russland im Blick, sie engagiert sich für die Freilassung von Michail Chordorkowski, sammelt Unterschriften für den Inhaftierten - und nebenbei Sympathien bei Touristen.

Ein verglaster Eckraum fokussiert die Ereignisse am Checkpoint Charlie, mit Exponaten und direktem Blick auf den Ort. Eingerichtet wurde er 1999 mit Fördermitteln des Senats. Damals war der Museumsbetreiber, die Arbeitsgemeinschaft 13. August, noch ein gemeinnütziger Verein und profitierte von Lottogeldern. Die Gemeinnützigkeit wurde mittlerweile aberkannt, die Zuschüsse mussten zurückgezahlt werden. Schon wegen seiner hohen Besucherzahlen, die das Museum mit 850.000 pro Jahr angibt, dürfte es sich bei dem Privatbetrieb um ein profitables Unternehmen handeln.

Ein Verkaufskiosk, wo die Reste des Mauergedenkens verscherbelt werden

Wohin die Einnahmen fließen, lässt Alexandra Hildebrandt offen, ebenso die Höhe ihres Etats. Der einstige Steuerberater ihres Ehemanns, Gert Behrens, ist sich sicher: "Da wird Kohle gemacht, und zwar nicht zu knapp!" Behrens wurde aus dem Trägerverein ausgeschlossen, weil er die fehlende Transparenz der Einnahmenverwendung kritisierte.

2005 wurde öffentlich, dass der Betreiberverein noch kurz vor dem Tod von Museumsgründer Hildebrandt im Jahr zuvor die Satzung geändert hatte. Seither fließen die Überschüsse an eine neugegründete Stiftung in der Schweiz. Ein cleverer Schachzug, wie Steuerberater Behrens bestätigt, der die Reingewinnspanne des Mauermuseums auf 50 Prozent vom Umsatz schätzt: "Es ist zwar legal, bedeutet aber letztlich die Privatisierung öffentlicher Mittel." Der Politik wirft Behrens vor, das Museum finanziell und ideell kritiklos unterstützt zu haben, im Grunde bis heute. Das Haus sei "ein Verkaufskiosk, wo die Reste des Mauergedenkens verscherbelt werden".

Mehrfach machte die Witwe des Museumsgründers in der Vergangenheit mit fragwürdigen Aktionen von sich reden. So stellte sie 2006 zeitweilig Holzkreuze als Mahnmal für die Mauer-Opfer am Checkpoint Charlie auf. Und als die staatlich finanzierte Berliner Mauergedenkstätte an der Bernauer Straße zusammen mit dem Potsdamer Zentrum für Zeithistorische Forschung Mauertote in einem akribisch recherchierten Totenbuch mit 136 Namen vorstellte, konterte Hildebrandt, dies würde das Unrecht banalisieren. Sie spricht, ohne Quellen zu nennen, von fast doppelt so vielen Menschen. Am 13. August, zum 50. Jahrestag des Mauerbaus, will Alexandra Hildebrandt neue Zahlen vorlegen. Woher sie diese bezieht, bleibt ihr Geheimnis - wie so Vieles, was den Betrieb ihres Museums angeht.

epd