Heilsarmee: Gegen soziale Not kämpfen

Heilsarmee: Gegen soziale Not kämpfen
Seit knapp 150 Jahren engagiert sich die Heilsarmee für Menschen in Notlagen. Ihr Name ist dabei Programm, sie kämpft für das Heil der Menschen. Damit folgt sie dem Epheserbrief aus der Bibel, der Christen aufruft, einen geistlichen Kampf zu führen und mit Gottes Waffenrüstung Widerstand gegen das Böse zu leisten. Sind diese biblischen Bilder vom Kampf noch zeitgemäß? Wie lässt sich verhindern, dass jemand dies missversteht und wörtlich nimmt? Die Diskussion um einen möglichen fundamentalistischen Hintergrund des Attentäters von Oslo stellt auch die Frage, ob Gewalt biblisch begründbar ist. Zu diesen Themen sprach evangelisch.de mit Annette Preuß, der Presse-Offizierin der Heilsarmee in Deutschland.
03.08.2011
Die Fragen stellte Ralf Peter Reimann

Schon der Name "Heilsarmee" deutet darauf hin, dass Sie als Christen in ihrem Leben in einem Kampf stehen. In Ihrem Dienst tragen Sie Uniform. Wofür bzw. wogegen kämpfen Sie?

Annette Preuß: Zunächst bedeutet Uniformtragen, erkennbar zu sein als Christ. Das hat vorerst wenig mit Kampf zu tun. Ich möchte durch das Tragen der Uniform angesprochen werden und dann habe ich eine Gelegenheit, mit Menschen über den christlichen Glauben ins Gespräch zu kommen. Natürlich kämpfen wir auch, und zwar gegen die Ungerechtigkeit in dieser Welt und in unserem persönlichen Leben  gegen Sünde und Fehlverhalten, so wie jeder andere Christ auch.

Die Heilsarmee leistet an vielen Stellen soziale Arbeit. Lässt sich dieses Engagement auch als Kampf geschreiben?

Preuß: Das soziale Engagement macht viel Freude, weil wir immer etwas zurückbekommen von der Zuwendung zum Nächsten. Natürlich ist soziale Arbeit auch ein Arbeitsgebiet, in dem man durchaus von Kampf sprechen kann. Wir kämpfen gegen alles, was Menschen Not macht und sie bedrückt. Wir kämpfen zum Beispiel hier in Deutschland gegen soziale Ungerechtigkeit, und weltweit engagiert sich die Heilsarmee beispielsweise auch gegen Menschenhandel.

Es ist nachvollziehbar, dass wirklich ein Kampf ist, mit einem alkoholkranken Menschen den Entzug durchzustehen und ihm unterstützend zur Seite zu stehen. Es ist auch ein Kampf, wenn Drogenabhängige versuchen, von der Sucht loszukommen. Viele unserer Leute stehen in einem täglichen Kampf ums Überleben. Soziale Arbeit ist wahrlich kein Sonntagspaziergang. Umgangssprachlich würde ich dennoch nicht von einem Kampf sprechen, sondern von sozialem Engagement und menschlicher Zuwendung. Daher würde ich für unsere Arbeit lieber diesen Begriff nutzen: Wir sind mit Menschen unterwegs.

Der biblische Epheserbrief benutzt auch das Bild des Krieges und fordert die Christen auf, Gottes Waffenrüstung anzulegen und gegen das Böse Widerstand zu leisten. Ist diese Bildersprache heute noch verständlich?

Preuß: Der Epheserbrief benutzt eine Bildersprache, um uns geistliche Inhalte näher zu bringen. Es ist sehr gefährlich, diese Metapher als eine Aufforderung zum handgreiflichen Kampf zu verstehen. Gemeint ist, dass wir mit geistlichem Rüstzeug ausgestattet sind und eben einen geistlichen Kampf zu bewältigen haben. Der Vers 15 aus Epheser 6 ist für mich ein Schlüsselvers und der spricht bei weitem nicht von einem Kampf Mann gegen Mann, sondern davon, das Evangelium des Friedens weiterzusagen. Hier ist von Frieden die Rede und nicht von Streit und Gewalt.

Wie lässt es sich verhindern, dass jemand die bildliche Rede vom geistlichen Kampf wörtlich versteht und um des vermeintlich guten Zieles willen Gewalt anwendet?

Preuß:Das weiß ich nicht. Angesichts der Ereignisse in Norwegen steht man sprachlos und hilflos daneben und hat einfach keine Patentlösung. Wir glauben, Gottes Wort wird dem Menschen durch den Heiligen Geist aufgeschlossen. Nur so kann man es richtig verstehen und im persönlichen Leben anwenden. Anders B., der Attentäter von Oslo, kann sich nicht auf die Bibel berufen oder darauf, dass er durch den Heiligen Geist angeleitet gewesen sei.

Auf der einen Seite finden wir in der Bibel die Bergpredigt, die zur Feindesliebe aufruft. Trotzdem gab und gibt es in der Geschichte des Christentums auch Gewaltausübung - die Kreuzzüge sind ein unrühmliches Beispiel. Wie erklären Sie Gewaltbereitschaft von Christen?

Preuß: Das hat etwas mit der Persönlichkeit des entsprechenden Menschen zu tun. Menschen, die zur Gewaltbereitschaft neigen, sind sehr gefährdet und in den meisten Fällen krank. Das hat zunächst nichts mit dem Christsein zu tun. Es ist natürlich sehr schade, wenn ein Mensch mit diesem Krankheitsbild sein Christsein als Grund für seine unmöglichen und menschenverachtenden Handlungen angibt. Das schadet dem christlichen Glauben.

Der Attentäter von Oslo und Utøya beruft sich auch auf die Kreuzzugsidee. Was würden Sie ihm entgegnen?

Preuß:Es ist einfach falsch und an den Haaren herbeigezogen. Der Attentäter von Oslo ist meiner Auffassung nach ein kranker Mann. Er braucht Behandlung und muss auch für seine Taten bestraft werden. Laut der Predigt von Jesus Christus braucht dieser Mann natürlich Vergebung und auch wir müssen ihm vergeben.

Die Heilsarmee identifizieren viele Menschen gerade auch mit sozialem Engagement. Der Name stammt allerdings aus dem 19. Jahrhundert. Öffnet er Ihnen Türen oder ist er mittlerweile eher hinderlich für Ihre Arbeit?

Preuß: Die Heilsarmee ist eine internationale Bewegung und deshalb ist ihr Name auch international gebräuchlich. Wie bei vielen Firmen oder auch Organisationen verbindet man etwas mit dem Namen. Wenn weltweit die Rede von der Salvation Army, der Arme du Salut oder der Heilsarmee die Rede ist, dann verbindet man damit genau das, was Sie schon in Ihren Fragen gesagt haben, nämlich Christentum, soziales Engagement, die Zuwendung zum einzelnen Menschen, Essen und Obdach und vieles mehr. Ich bin nach wie vor der Meinung, dass die Leute sehr genau wissen, was Heilsarmee bedeutet. Wir werden manchmal belächelt, aber dennoch bewundernd wahrgenommen wegen unseres Engagement für die Armen und Hilflosen auf dieser Welt.


Annette Preuß ist Majorin der Heilsarmee und zuständig für die Öffentlichkeitsarbeit der Heilsarmee in Deutschland, Litauen und Polen.