TV-Tipp des Tages: "Lutter: Blutsbande" (3sat)

TV-Tipp des Tages: "Lutter: Blutsbande" (3sat)
Eines Morgens fliegt das Auto des bekannten Baulöwen Kampschulte in die Luft. Am Steuer saß allerdings sein Bruder; offensichtlich eine Verwechslung also. Vielleicht aber auch nicht.
03.08.2011
Von Tilmann P. Gangloff

"Lutter: Blutsbande", 10. August, 22.25 Uhr im 3sat

Es ist immer noch schade, dass Joachim Król den Lutter aufgeben musste, als er das Angebot bekam, den neuen Frankfurter "Tatort"-Kommissar zu verkörpern. Dieser Film belegt noch mal die herausragende Qualität der ZDF-Krimireihe. "Blutsbande" war die dritte Episode der Reihe, die sich mit diesem Film endlich gefunden hatte. Die Bildgestaltung will nicht mehr um jeden Preis topmodern erscheinen, die Bemühungen um Lokalkolorit sind auf gelegentliche Zwischenspiele reduziert worden sind. Die Inszenierung (Peter F. Bringmann) kann sich daher ganz auf Geschichte und Darsteller konzentrieren. Sehenswert waren zwar auch die ersten beiden Folgen schon, zumal ein Film mit Król sowieso nie verschwendete Zeit ist; statt eines großen Skandals, der das Revier in seinen Grundfesten erschüttert, schildern Eva und Volker Zahn sowie Andreas Schmitz nun aber einen einfachen, übersichtlichen Fall.

Die lachende Erbin

Eines Morgens fliegt das Auto des bekannten Baulöwen Kampschulte (Michael Brandner) in die Luft. Am Steuer saß allerdings sein Bruder; offensichtlich eine Verwechslung also. Vielleicht aber auch nicht: Rasch findet Lutter raus, dass Peter Kampschulte nach einem Bankrott seinen Bruder als Strohmann einer neuen Firma benutzt hat. Die alles andere als trauernde Witwe (Maja Maranow) ist nun lachende Erbin und hat außerdem ein Verhältnis mit ihrem Schwager. Der wiederum entspricht bis ins Detail dem TV-Klischee des bösen Bauunternehmers, zumal er auf dem Gelände einer alten Bergarbeitersiedlung einen Technologiepark hochziehen will.

Fast alle Bewohner sind bereits mit Erfolg rausgekauft worden, bloß eine Familie leistet hartnäckig Widerstand: Ernst Fichte (Martin Lindow) und seine drei Kinder (unter anderem Alice Dwyer) trotzen allen Schikanen und lassen sich nicht aus ihrem Häuschen vertreiben, obwohl es längst weder Strom noch Wasser gibt, dafür aber immer wieder Steine in die Fensterscheiben fliegen. Keine Frage: Wenn jemand ein Motiv hat, es Kampschulte heimzuzahlen, dann Fichte; doch eine Überwachungskamera bestätigt sein Alibi.

Mit fortlaufender Handlung rückt der von Lindow hingebungsvoll als notorischer Querulant verkörperte alleinerziehende Vater mehr und mehr in den Mittelpunkt, und selbstredend entdeckt Lutter alsbald sein Herz für die entrechtete Familie, die sich verzweifelt bemüht, wenigstens einen Rest an Würde zu bewahren. Bei aller Dramatik dieser Erzählebene lebt "Lutter" dennoch von einer sehr sympathischen Mischung aus Spannung und Comedy. Gerade die Einführung des neuen Mitarbeiters Engels (Matthias Koeberlin) hat mitunter fast Slapstick-Charakter: Seine Frau erwartet das erste Baby, ist völlig durch den Wind und ruft den Gatten permanent an, was Lutter vor allem wegen des penetranten Klingeltons nervt; also wirft er Engels’ Telefon kurzerhand aus dem Autofenster und lässt den Kollegen einfach stehen.


Der Autor unserer TV-Tipps, Tilmann P. Gangloff, setzt sich seit über 20 Jahren als freiberuflicher Medienkritiker unter anderem für "epd medien" mit dem Fernsehen auseinander. Gangloff (geb. 1959) ist Diplom-Journalist, Rheinländer, Vater von drei Kindern und lebt am Bodensee. Er gehört seit Beginn der 1990er Jahre regelmäßig der Jury für den Adolf-Grimme-Preis an und ist ständiges Mitglied der Jury Kinderprogramme beim Robert-Geisendörfer-Preis, dem Medienpreis der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD).