Überlebende klagen über Medien als "Teil des Alptraums"

Überlebende klagen über Medien als "Teil des Alptraums"
Kaum dem Massenmörder in Norwegen nach einstündiger Todesangst entronnen, mussten die Teenager das Grauen den zahlreichen Reportern schildern. In Norwegen mehrt sich deshalb die Kritik Überlebender und Angehöriger an den Medien.

Norwegische Journalisten als Teil des Terror-Alptraums: Überlebende und Angehörige von Opfern des Massakers auf Utøya schildern ihre Erlebnisse mit Reportern und die Kritik fällt hart aus. Im Osloer Rundfunksender NRK berichtete am Donnerstag beispielsweise Marie Vaag Endrerud, wie sehr sie inzwischen bereut, dass sie sich schon kurz nach den Erlebnissen mit dem Tod von Freunden von Reportern zu Interviews überreden ließ. "Anderthalb Stunden, nachdem ich in Sicherheit war, rief die erste Zeitung an. Ich stand total unter Schock und weiß überhaupt nicht mehr, was ich geantwortet habe."

Der Vorsitzende der sozialdemokratischen Jugendorganisation AUF, Eskil Pedersen, hörte nach dem Massaker mit 68 Toten gleichlautende Klagen: "Etliche haben sich überreden lassen und es dann bitter bereut." Pedersen selbst weigerte sich stets, seine Erlebnisse öffentlich mitzuteilen. Er gehörte zu den wenigen aus dem Ferienlager mit Medienerfahrung.

Überlebende haben Angst, sie könnten etwas Falsches gesagt haben

Andere unter den meist 16- oder 17-jährigen Überlebenden, so war im Rundfunk zu hören, wachten nach Interviews mit Alpträumen auf, sie könnten "etwas Falsches" gesagt haben. Der Krisenpsychologe Atle Dyregrov meinte in der Online-Zeitung "Nettavisen": "Erst wurden die jungen Menschen von einem Mörder gejagt und dann von der Presse." Nils Øy von der norwegischen Redakteurs-Vereinigung widersprach der Kritik nicht. "Das ist schon eine Fortsetzung der alptraumartigen Lage, die die Betroffenen durchlebt haben", sagte er im Rundfunk. Es seien "so unglückliche Situationen eben entstanden", weil auch die Interviewer sich nicht über das Ausmaß der Katastrophe im Klaren gewesen seien.

Zusammen mit Pedersen äußerte sich auch der sozialdemokratische Staatssekretär Raymond Johansen kritisch über die Verwendung von Bildern von Utøya noch während des Massakers. Angehörige hätten sich empört an ihn gewandt. Der Zeitung "Rogaland Avis" sagte er: "Angehörige und Überlebende wurden den ganzen Tag rund um die Uhr von Medien angerufen." Für viele von ihnen sei es viel zu früh gewesen, sich zu äußern.

dpa