Kardinal Marx: Homosexuelle gehören zur Kirche

Kardinal Marx: Homosexuelle gehören zur Kirche
Es klingt nach einer Geste der Verständigung: Der Erzbischof von München, Kardinal Reinhard Marx, will auch schwule und lesbische Menschen an der kirchlichen Gemeindearbeit beteiligen. Eine Segnung homosexueller Paare lehnt er aber ab. Marx war vor kurzem durch Äußerungen über "gescheiterte und zerbrochene Menschen", zu denen er offenbar auch wiederverheiratete Geschiedene und Homosexuelle zählte, in die Kritik geraten.
28.07.2011
Von Bernd Buchner

Marx sagte der "Süddeutschen Zeitung" (Donnerstag), auch Schwule und Lesben gehörten zur kirchlichen Gemeindearbeit. "Alle sind willkommen, die mitmachen wollen und sich dem Evangelium öffnen und sich der Gemeinschaft der Kirche anschließen." Er könne zwar homosexuelle Beziehungen nicht segnen, "aber ich kann für Menschen, die darum bitten, beten", sagte der Kardinal. Es sei ihm fremd, andere Menschen zu verurteilen. Marx räumte zugleich ein, die Kirche habe beim Thema Homosexualität "nicht immer den richtigen Ton getroffen".

"Gescheiterte und zerbrochene Menschen"

Der Geistliche hatte zum Abschluss des Gesprächs des Gesprächsforums der katholischen Kirche Mitte Juli in Mannheim Schwerpunkte für Veränderungen in der Kirche skizziert. Als eines der Handlungsfelder nannte er dabei auch den Umgang mit "gescheiterten und gebrochenen Menschen". Dazu zählte er wiederverheiratete Geschiedene und Homosexuelle. Der Lesben- und Schwulenverband in Deutschland bezeichnete die Äußerungen als "beleidigend und herabwürdigend" und verlangte eine öffentliche Entschuldigung.

Marx hielt in dem Gespräch mit der "Süddeutschen Zeitung" grundsätzlich an der kirchlichen Position zu dem Thema fest. Es bleibe dabei, "dass die Sexualität in die treue eheliche Beziehung zwischen Mann und Frau gehört, die offen ist für Kinder. Wir können das doch nicht so einfach verändern." Glaube und Kirche seien kein "Gemischtwarenladen". Dass nicht alle Menschen das leben könnten, bezeichnete der Kardinal als eine seelsorgerische Herausforderung. Auch zur Rolle der Frauen in der Kirche sowie zum Frage der Ehelosigkeit der Priester vertrat Marx die bekannten Positionen der katholischen Amtskirche.

In einem Gespräch mit der "Münchner Kirchenzeitung" (Sonntagsausgabe) zeigte sich Marx "sehr unglücklich" darüber, wie seine Mannheimer Äußerungen dargestellt worden seien. "Man kann wirklich nicht davon sprechen, dass Homosexuelle – oder auch Geschiedene – gescheiterte Menschen wären." Die Christen lebten ganz grundsätzlich in dem Glauben, dass Menschen immer wieder neu anfangen könnten. "Es können also Lebensentwürfe scheitern, aber doch nicht Menschen, die Geschöpfe und Ebenbild Gottes sind." Ein Homosexueller dürfe wie jeder andere Mensch nicht dafür, wie er sei, verurteilt werden.

Zeit der Krise und geistlichen Neuorientierung

Mit Blick auf die gegenwärtige Situation der katholischen Kirche sprach der Münchner Kardinal in dem Bistumsblatt von einer Zeit der Krise, des Umbruchs und der geistlichen Neuorientierung. Bei dem Gesprächsforum in Mannheim habe man sich "in guter Weise gemeinsam auf den Weg gemacht". Er habe die Hoffnung, "dass bei allen Kontroversen der Wille da ist, beieinander zu bleiben". Marx sagte, die Kirche solle keine Angst vor "ernsthaften und in der Sache fundierten Debatten" haben. "Angst ist ein schlechter Ratgeber!" Es gehe darum, einander zu verstehen und voneinander zu lernen.

Zum Ausschluss wiederverheirateter Geschiedener von den Sakramenten sagte Marx, er werde sich dafür einsetzen, dass dieses Thema weiter auf der Tagesordnung bleibe. In der katholischen Kirche dürfen Menschen, die ein zweites Mal heiraten, nicht zur Kommunion gehen. In der "Süddeutschen Zeitung" betonte der Kardinal, die Kirche werde sich "schwer tun, eine einmal geschlossene sakramentale Ehe zu scheiden". Er zeigte zugleich Verständnis für das Gefühl einer Stigmatisierung bei den Betroffenen. Die Kirche müsse ihnen deutlich sagen: "Ihr seid angenommen, ihr gehört dazu und wir gehen gemeinsam den Weg."

Unterdessen sieht der Lesben- und Schwulenverband Brandenburg in dem vor zehn Jahren eingeführten Gesetz zur Schließung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften nur einen "Etappenschritt". Ziel sei die Öffnung der Ehe für Homosexuelle, sagte Verbandsgeschäftsführer Jörg Steinert am Donnerstag dem Evangelischen Pressedienst (epd). Erst dann seien Schwule und Lesben in allen rechtlichen Fragen heterosexuellen Eheleuten gleichgestellt. Das sogenannte Lebenspartnerschaftsgesetz trat am 1. August 2001 in Kraft.

Lebenspartnerschaftsgesetz seit zehn Jahren

Als Beispiel für Nachbesserungen nannte Steinert bisherige Nachteile beim Einkommenssteuerrecht und bei der gemeinsamen Adoption von Kindern, die homosexuellen Paaren bisher nicht erlaubt ist. Bisher kann nur das leibliche Kind des Lebenspartners adoptiert werden. Trotz bestehender Mängel war das Gesetz nach Steinerts Ansicht ein wichtiger Schritt zur Enttabuisierung homosexueller Beziehungen. "Es ist ja auch in Umfragen zu sehen, dass die Zustimmung der Bevölkerung gewachsen ist", betonte er.

Gleichgeschlechtliche Partner können seit Inkrafttreten des Lebenspartnerschaftsgesetzes eine der Ehe ähnliche Gemeinschaft in der Regel vor dem Standesamt schließen. Ihnen stehen damit Rechte von Ehepartnern etwa bei Erbangelegenheiten zu. Ebenso übernehmen sie Pflichten, beispielsweise zu Unterhaltszahlungen. Dennoch dürfe über noch vorhandene Diskriminierung nicht hinweggesehen werden, unterstrich Steinert. So seien Fälle bekannt, bei denen einem homosexuellen Paar mit Kind in Berliner Einrichtungen der Rabatt einer Familienkarte verweigert wurde.

mit Material von epd

Bernd Buchner ist Redakteur bei evangelisch.de und zuständig für Kirche und Religion.