Es war eine Rekordmeldung, auf deren Veröffentlichung die Vereinten Nationen gerne verzichtet hätten: Zur Jahreswende befanden sich über 43 Millionen Menschen weltweit auf der Flucht. Ein Höchststand in den vergangenen 15 Jahren. Die Menschen brachten sich vor Gewalt und Verfolgung, aber auch vor Hunger und Naturkatastrophen in Sicherheit.
In den darauffolgenden Monaten zwangen die Umwälzungen in den arabischen Ländern und die Dürre in dem Bürgerkriegsland Somalia weitere Hunderttausende Männer, Frauen und Kinder, ihre Heimat zu verlassen. Es bietet sich also ein düsteres Bild, wenn die UN in diesen Tagen den 60. Jahrestag der Genfer Flüchtlingskonvention begeht.
60 Jahre Genfer Flüchtlingskonvention
Am 28. Juli 1951 wurde am europäischen UN-Hauptsitz in Genf das Abkommen verabschiedet. Es galt zunächst nur für Menschen, die bis 1951 Flüchtlinge wurden. Ein Zusatzprotokoll von 1967 hob die zeitliche Beschränkung auf. Die Konvention entstand wie die Gründung der Vereinten Nationen selbst unter dem Eindruck der Gräuel der Nationalsozialisten. Die Menschen waren nach Vertreibung und Zwangsumsiedlungen schutzlos ausgeliefert.
Heute haben fast 150 UN-Mitgliedsländer die Konvention und das Protokoll ratifiziert, die Menschen auf der Flucht eine Reihe von Rechten wie den freien Zugang zu Gerichten garantieren. Allerdings gilt das nur für Flüchtlinge, die Zuflucht außerhalb ihrer Heimat suchen. Für Flüchtige, die innerhalb ihres Landes fliehen, gilt die Konvention nicht. Denn nach dem Völkerrecht haben die Regierungen die Pflicht, sich um das Wohl ihrer Bürger zu kümmern. Fragile Staaten wie Afghanistan oder Somalia oder diktatorische Regimes können oder wollen das jedoch nicht leisten.
Hälfte der Binnenflüchtlinge sind Kinder
So haben etwa 28 Millionen Menschen kein Anrecht auf den Schutz durch die Konvention und auf Hilfe des UN-Flüchtlingshilfswerks UNHCR, dessen rechtliche Grundlage ebenfalls in dem Abkommen geregelt wurde. "Wir dürfen nicht eine ganze Kategorie von Menschen, die Binnenflüchtlinge, durch das Rost fallen lassen", warnte der frühere US-Botschafter bei den UN, Richard Holbrooke, schon im Jahr 2000.
Nach UN-Schätzungen sind die Hälfte der Binnenflüchtlinge Kinder. Die Kleinen leiden am schlimmsten unter Hunger, sexueller Gewalt, Zwangsrekrutierung und dem Trauma der Heimatlosigkeit. Die UN-Beauftragte für Kinder in bewaffneten Konflikten, Radhika Coomaraswamy, warnt: "Vertreibungen werfen besonders die Kinder aus der Bahn, sie brauchen Schutz und Stabilität."
Philip Rudge, der langjährige Generalsekretär des Europäischen Flüchtlingsrates, betont: Besonders die Regierungen, die für die Vertreibungen verantwortlich seien oder diejenigen, die die Vertreibungen nicht verhindert hätten, wehrten sich gegen einen internationalen Schutz der Binnenflüchtlinge. Sie witterten eine "Einmischung in ihre inneren Angelegenheiten". Immerhin: Seit 2006 hilft das UNHCR den Binnenflüchtlingen auf freiwilliger Basis - die Not der Menschen zwingt die Helfer der UN zum Handeln.
"UNHCR hilft den Schwächsten und den Hilflosesten"
Das UNHCR wurde 1950 gegründet. "Damals kümmerte sich das Flüchtlingshilfswerk um 2,1 Millionen Europäer", erklärte der UN-Hochkommissar für Flüchtlinge, António Guterres. Heute schützt die Organisation mit Tausenden Helfern Millionen Opfer von Kriegen, Diktatoren und den Unbilden der Natur rund um den Globus.
Man baut Zeltlager in Sudans Krisenprovinz Darfur, organisiert mit Partnern wie dem Welternährungsprogramm die Lebensmittelversorgung für afghanische Flüchtlinge in Pakistan oder bietet mit dem Kinderhilfswerk UNICEF eine elementare Schulbildung für Mädchen und Jungen in Flüchtlingslagern in Kenia. "Das UNHCR hilft auf der ganzen Welt den Schwächsten und den Hilflosesten", betonte Un-Generalsekretär Ban Ki Moon. Mit der Flüchtlingskonvention wurde dafür der Grundstein gelegt.