Der 32-jährige Anders Behring Breivik ist für einen Bombenanschlag im Zentrum Oslos sowie für ein Massaker auf der Insel Utøya verantwortlich. Die Polizei korrigierte die Zahl der Opfer nach unten. Bei den zwei Attentaten kamen demnach 76 Menschen ums Leben. Acht starben beim Anschlag im Regierungsviertel, bei dem anschließenden Massaker auf Utøya gab es 68 Tote. Zuvor gingen die Behörden von 93 Toten aus. Die Polizei verteidigte sich gegen Vorwürfe, zu spät auf der Insel eingegriffen zu haben.
Vier Wochen vollständige Isolation
Gegen den Täter wurde zunächst eine achtwöchige Untersuchungshaft verhängt. Das teilte das Gericht am Montag in Oslo mit. Ein Rechtspsychiater wird ihn auf seine Zurechnungsfähigkeit untersuchen. Davon muss Breivik vier Wochen in vollständiger Isolation verbringen, darf weder Besuch empfangen noch Briefe schreiben oder erhalten. Von dem Attentäter gehe weiter ein großes Risiko aus, teilte das Gericht mit. Am Mittag erinnerte ganz Norwegen mit einer Schweigeminute an die Opfer. Überall im Land ließen die knapp fünf Millionen Bürger die Arbeit ruhen, Züge hielten an, in der Hauptstadt Oslo ruhte der Straßenverkehr. Auch in einigen deutschen Städten waren für den Abend Gedenkminuten für die Toten vorgesehen.
Die Korrektur der Todeszahlen begründete die Polizei mit der "sehr schwierigen Ermittlungslage". Das gelte vor allem für die Suche nach Toten, Vermissten und Überlebenden auf der kleinen Insel und im Tyrifjord. Auf der Insel werde weiter gesucht, entsprechend könnten sich die Zahlen noch ändern. Die Polizei hatte erste Angaben auch auf Basis von Zeugenaussagen gemacht.
Beim Haftprüfungstermin sagte der Attentäter, er habe nicht das Ziel gehabt, so viele Menschen wie möglich zu töten. Vielmehr habe er ein starkes Signal senden wollen, das nicht missverstanden werden könne. Er wollte nach eigenen Angaben der sozialdemokratischen Arbeiterpartei größtmöglichen Schaden zufügen. Sie sei für die massenhafte Einwanderung von Muslimen verantwortlich und habe dafür bezahlen müssen, gab der Norweger an. Breivik sprach von "zwei weiteren Zellen in unserer Organisation". Weitere Einzelheiten wurden dazu nicht mitgeteilt. Vor dem Gerichtstermin hatten wütende Jugendliche das Auto mit dem Attentäter attackiert. Sie traten vor dem Osloer Stadtgericht gegen den schwarzen Jeep, in dem Breivik saß, und riefen Beschimpfungen.
Wütende Jugendliche
Bei der Verhandlung war die Öffentlichkeit ausgeschlossen worden, obwohl der geständige 32-Jährige bei Verhören ausdrücklich Öffentlichkeit für den Termin gewünscht hatte, um seine Motive zu erklären. Eine Gerichtssprecherin begründete die Entscheidung mit Sicherheitsproblemen und Rücksicht auf die laufenden Ermittlungen. Beim Eintreffen vor dem Osloer Stadtgericht griffen Jugendliche das Auto des Attentäters an. Sie traten gegen den schwarzen Jeep und riefen Beschimpfungen.
Obwohl Norwegen zu den weltweit rund 20 Staaten gehört, die eine lebenslange Haftstrafe abgeschafft haben, kann der Attentäter bei einer Verurteilung dennoch für immer hinter Gittern bleiben. Denn schon beim Urteilsspruch kann ein Gericht die sogenannte Verwahrung ("forvaring") verhängen, deren Ende ungewiss ist. Als psychisch kranker Straftäter käme er in eine geschlossene Fachklinik. Der Attentäter hatte am Freitag nach eigenem Geständnis erst eine 500-Kilo-Bombe im Osloer Regierungsviertel zur Explosion gebracht und anschließend auf der nahe gelegenen Insel Utøya ein Massaker unter jugendlichen Teilnehmern eines sozialdemokratischen Ferienlagers angerichtet.
Kritik gab es am Tempo des Polizeieinsatzes. Oslos Polizeichef Anstein Gjengedal sagte, die Antiterroreinheit "Delta" sei sofort nach dem ersten Alarmruf trotz der vorherigen Bombenexplosion im Regierungsviertel Richtung Jugendlager in Gang gesetzt worden: "Wir waren schnell da." Der Attentäter hatte für seinen Angriff auf etwa 600 Jugendliche eine Stunde Zeit, bis er festgenommen wurde. Die Eliteeinheit der Polizei war in Autos aus dem 45 Kilometer entfernten Oslo gekommen. Sie verlor nach Angaben mehrerer Medien Zeit, weil beim Übersetzen auf die kleine Fjordinsel Utøya ein Bootsmotor streikte.
Mette-Marits Stiefbruder unter den Opfern
Zu den Opfern des Massakers auf der Insel Utøya gehört auch ein Stiefbruder der norwegischen Prinzessin Mette-Marit. Wie die Zeitung "Dagbladet" berichtete, wurde der 51-jährige Polizist Trond Berntsen erschossen, als er seinen zehnjährigen Sohn schützen wollte. Berntsens Vater war mit der Mutter Mette-Marits, Marit Tjessem, verheiratet. "Die Gedanken der Prinzessin sind bei den nächsten Angehörigen", sagte eine Hofsprecherin
Der Attentäter wollte auch die frühere Ministerpräsidentin Gro Harlem Brundtland ermorden. Medien berichteten unter Berufung auf Polizeikreise, dass der 32-Jährige dies bei Verhören angegeben habe. Breivik erwähnte in seinem Manifest mehrmals auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). Merkel sei aus seiner Sicht "der am wenigsten schlechte Führer der größeren Nationen", schrieb Breivik. Die Kanzlerin sorge aber mit ihrer Unterstützung der "schrecklichen EU-Verfassung" für eine "Eurabisierung" Europas.
Im Schatten der Anschläge begann am Montag das internationale Festival der sozialistischen Jugend (IUSY) in Österreich. Die Sicherheitsvorkehrungen für das mehrtägige Treffen von 2500 Jugendlichen aus mehr als 100 Ländern wurden wegen der Anschläge deutlich erhöht. Der Vater des Attentäters steht im südfranzösischen Cournanel vorsorglich unter Polizeischutz. Das Anwesen des Mannes werde von der Gendarmerie bewacht, sagte Staatsanwalt Antoine Leroy. Ziel sei es, für Ruhe und Ordnung zu sorgen. "Es gab keinerlei Hausdurchsuchung", betonte Leroy. Entsprechende Gerüchte seien falsch.
Aufruf zum Gebet
Der norwegische katholische Bischof Berislav Grgic rief in Deutschand zu Gebeten für die Anschlagsopfer in seiner Heimat auf. "Wir bitten für die Angehörigen, für die Familien und für all diejenigen, die das Attentat miterlebten, dass sie die Kraft finden, um die Wunden und Schmerzen dieser schrecklichen Tat zu tragen", sagte der Bischof am Montag beim Liborifest des Erzbistums Paderborn. "Die Kirche steht in diesen Zeiten der Not an der Seite der Betroffenen", unterstrich er in der traditionellen Betstunde des Bonifatiuswerkes für die Katholiken in der Diaspora.
Die kleine katholische Kirche in Norwegen versuche in ökumenischer Zusammenarbeit da zu sein und Trost zu spenden, führte der Bischof der norwegischen Prälatur Tromsø aus. Jetzt müsse vor allem in den Schulen und Kindergärten den jungen Menschen geholfen werden, diese Ereignisse zu verarbeiten, sagte der 51-Jährige. Für das Bonifatiuswerk der deutschen Katholiken sprach Monsignore Georg Austen den Angehörigen in Norwegen sein Mitgefühl aus. "Es ist eine schreckliche Tat, die von furchtbarer Unmenschlichkeit gezeichnet ist", sagte er.
Der katholische Theologe wandte sich dagegen, dass der Täter als christlicher Fundamentalist bezeichnet werde. Zentrales Fundament des Christentums sei die Gottes- und die Nächstenliebe. "Die Tat zeigt auf schlimmste Art und Weise das brutale Gegenteil", so Austen. Das Bonifatiuswerkes der deutschen Katholiken unterstützt seit den 70er Jahren die katholische Kirche in Norwegen. Das Werk engagiert sich für katholische Christen, die in einer Minderheitensituation leben. In Norwegen gehören rund 1,5 Prozent der Bevölkerung der katholischen Kirche an.