Attentäter erschießt 84 Jugendliche auf einer Insel

Attentäter erschießt 84 Jugendliche auf einer Insel
Mindestens 84 Jugendliche sterben bei einem Massaker auf der kleinen Ferieninsel Utøya, sieben Menschen durch eine Bombe in Oslo: Norwegen wacht am Samstag zu schier unfassbaren Nachrichten auf. Ein 32- jähriger mutmaßlicher Täter ist in Haft, die Polizei sucht einen möglichen zweiten Täter.

Schock, Verzweiflung und ungläubiges Entsetzen am Samstagmorgen in Norwegen: Mindestens 84 Jugendliche sind in einem Ferienlager auf der kleinen Insel Utøya 40 km westlich von Oslo einem offenbar allein handelnden Attentäter zum Opfer gefallen. Auch Polizeisprecher Oystein Mæland rang am Samstagmorgen mit sich, als er im TV-Sender NRK das Ausmaß des Massakers bekanntgeben musste: "Man kann das nur schwer fassen."

Die 4,5 Millionen Norweger hörten und sahen im Fernsehen herzzerreißende Berichte von Überlebenden: Lisa Irene Johansen Aasbø etwa, von ihrer Mutter im Arm gehalten, erzählte, wie sie vor dem wild schießenden Attentäter in Polizeiuniform und schusssicherer Weste am Ende ins Wasser geflüchtet war, um schwimmend zu entkommen. "Ich habe überlebt, weil Menschen kamen und mich in ihr Boot gezogen haben."

Derselbe Täter wie in Oslo

Aus Sicht der Helfer schilderte die Norwegerin Torill Hansen im NRK-Rundfunk, was für sie das Schlimmste war: Sie hatte mit ihrem Motorboot im Tyrifjord schwimmend flüchtende Jugendliche aus dem Wasser geholt. "Als ich zehn aufgenommen hatte, war das Boot voll. Es war so schrecklich, als ich die elften und zwölften abweisen musste."

Lisa erzählte, wie der am Ende festgenommene 32-Jährige mitten in eine Versammlung der Jugendlichen in dem Ferienlager geschossen hatte. "Wir waren ja zusammengerufen worden, um über die Bombenexplosion in Oslo informiert zu werden." Auch der Anschlag im Regierungsviertel der Hauptstadt geht nach Überzeugung der Polizei auf das Konto desselben Attentäters. Sieben Menschen starben bei der schweren Explosion, mindestens zehn wurden schwer verletzt.

Nach der Explosion gegen 15.20 Uhr war der Mann wohl mit dem Auto zu der 40 km entfernten Insel gefahren, um das Jugendlager der Partei von Ministerpräsident Jens Stoltenberg zu attackieren. Auch nach seiner Festnahme gab es noch viele Fragezeichen: Wie lange konnte er wüten, ehe die herbeigerufene Antiterror-Einheit der Polizei ihn festnahm? Welche Waffen setzte er ein. Und vor allem: Warum? Der Tod von 80 Jugendlichen erscheint unfassbar.

Nationalistische Gesinnung

Die Polizei bestätigte im Fernsehen, dass der nach seiner Festnahme aussagebereite Mann "eine nationalistische Gesinnung" habe und "antimuslimisch" eingestellt sei. Er habe aber über sein genaues Motiv nichts ausgesagt. Aus dem inzwischen gesperrten Facebook-Profil des Mannes war nach den NRK-Angaben zu entnehmen, dass er einen Handel für landwirtschaftliche Produkte betrieb.

Das könnte erklären, wie er sich Kenntnis über die Zusammenstellung von Sprengstoffen verschafft hat, hieß es in ersten Medienkommentaren. In einer Twittermitteilung hatte der Mann geschrieben: "Eine Person mit Überzeugung macht die Kraft von 100.000 wett, die nur Interessen haben."

Das Feriencamp der sozialdemokratischen Jugendorganisation AUF war "multikulturell orientiert", erzählten Teilnehmer. Als Gegner eines multikulturellen Norwegen hatte sich der mutmaßliche Attentäter im Internet präsentiert. Mit diesen Informationen waren die anfänglichen Vermutungen schnell zu den Akten gelegt, dass in Oslo und auf der kleinen Ferieninsel radikalislamistische Terroristen zugeschlagen haben könnten.

Norwegens Ministerpräsident Jens Stoltenberg hat die Anschläge mit mindestens 87 Toten als "nationale Tragödie" eingestuft. Am Samstagmorgen sagte der Regierungschef in Oslo weiter: "Seit dem Zweiten Weltkrieg haben wir in unserem Land keine schlimmere Katastrophe erlebt." Die Tat sei "unbegreiflich". Stoltenberg sagte, dass er mehrere der Opfer gekannt habe. Stoltenberg will im Tagesverlauf Überlebende des Massakers und deren Angehörige besuchen. "Utøya war das Paradies meiner Jugend. Gestern wurde es in eine Hölle verwandelt."

dpa