TV-Tipp des Tages: "Salami aleikum" (ZDF)

TV-Tipp des Tages: "Salami aleikum" (ZDF)
Der Deutsch-Iraner Mohsen ist der sympathische Antiheld einer ebenso fantasievollen wie mutwillig verspielten Multikulti-Komödie. Der Film bildet den Auftakt der Debütreihe „Gefühlsecht“.
15.07.2011
Von Tilmann P. Gangloff

"Salami aleikum", 18. Juli, 20.15 Uhr im Zweiten

So kann man seine Probleme auch ignorieren: Wenn Mohsen dem Alltag entfliehen will, flüchtet er sich in Tagträume oder strickt am Schal seines Lebens, der allerdings längst viel zu lang ist, um ihn tatsächlich zu tragen.

"Salami aleikum" ist das Regiedebüt des gebürtigen Iraners Samadi Ahadi, der mit zwölf Jahren nach Deutschland gekommen ist. Das ZDF zeigt den Film zum Auftakt der Debütreihe "Gefühlsecht". Das ist eine Einrichtung der Redaktion "Das kleine Fernsehspiel", deren Produktionen normalerweise laufen, wenn die meisten Zuschauer längst im Bett sind. Von Zeit zu Zeit widerfährt einem der Debüts jedoch die Ehre, zum "Fernsehfilm der Woche" geadelt zu werden. Dass in diesem Jahr gleich das Auftaktwerk um 20.15 Uhr läuft, ist ein echtes Novum; dabei gibt es sogar Untertitel, die um diese Uhrzeit doch eigentlich verpönt sind. Allerdings tragen sie ganz erheblich zur Kurzweiligkeit der Geschichte bei, denn nicht selten sagen Mohsens iranische Eltern etwas ganz anderes, als ihr harmoniebedürftiger Sohn übersetzt.

Auch sonst führt Ahadis Lust an der stilistischen Vielfalt zu vielen verblüffenden Momenten. Mohsens Tagträume zum Beispiel erlebt man in Zeichentrick; aber manchmal toben sie sich auch als Bollywood-Musical aus. Außerdem unterbrechen die Mitwirkenden regelmäßig den Fluss der Handlung, um sich direkt ans Publikum zu wenden. All das aber ist bloß angemessene Verpackung für eine originelle Geschichte: Um sich endlich den Respekt seines Vaters zu verdienen, lässt sich der Kölner Metzgersohn Mohsen Taheri auf einen Handel mit einem zwielichtigen Polen ein, der ihm eine Herde re-importierter Schafe andreht.

Gratwanderung zwischen Burleske und Satire

Auf dem Weg Richtung Osten strandet Mohsen in einem Dorf, das einer längst untergegangenen Blütezeit nachtrauert: Oberniederwalde war einst das Zentrum der ostdeutschen Textilproduktion. Auch die große Zeit der berühmtesten Frau im Ort liegt lange zurück: Ana Bergheim (Anna Böger) war einst eine gefeierte Kugelstoßerin, aber ihre gesamtdeutsche Karriere scheiterte schon im Ansatz, weil ihr Trainer sie jahrelang mit Dopingmitteln gefüttert hatte. Mohsen jedoch verliebt sich auf Anhieb in die große Blonde, die ihn mindestens um Haupteslänge überragt. Weil sie Vegetarierin ist, verschweigt er den wahren Grund seiner Reise und gibt sich als Textilhändler aus. Prompt hält ihn Anas Vater (Wolfgang Stumph) für einen steinreichen Perser, der den heruntergekommenen volkseigenen Betrieb "Textile Freude" übernehmen und aus Oberniederwalde eine blühende Landschaft machen wird.

Geschickt gelingt Ali Samadi Ahasi die Gratwanderung zwischen Burleske und Satire. In der Geschichte, die er gemeinsam mit Arne Nolting geschrieben hat, bekommen alle ihr Fett weg: Ossis und Wessis, Inländer und Ausländer, Kinder und Eltern. Endgültig auf Touren kommt der Film, als auch Vater und Mutter Taheri (Proschat Madani und Michael Niavarani) auftauchen. Die beiden Väter entdecken unverhoffte Parallelen in ihren Lebenswegen, und die Erzkomödianten Niavarani und Stumph, der eine Österreicher, der andere Sachse, können ihre ganze Klasse zeigen.

Das Drehbuch beschert ihnen zudem diverse herrliche Dialoge: "Ich bin ihr Opfer, steigen sie mir auf die Augen", begrüßt Bergheim den Vater seines designierten Schwiegersohns in vorauseilender Unterwürfigkeit. Aber es gibt auch viele wunderbare Einfälle, die ganz ohne Worte auskommen und oft bloß schlichter, aber wirkungsvoller Slapstick sind. Die Musik (Ali N. Askin) setzt immer wieder eigene Akzente, die Darsteller sind großartig; der Film ist ein Glücksfall.


Der Autor unserer TV-Tipps, Tilmann P. Gangloff, setzt sich seit über 20 Jahren als freiberuflicher Medienkritiker unter anderem für "epd medien" mit dem Fernsehen auseinander. Gangloff (geb. 1959) ist Diplom-Journalist, Rheinländer, Vater von drei Kindern und lebt am Bodensee. Er gehört seit Beginn der 1990er Jahre regelmäßig der Jury für den Adolf-Grimme-Preis an und ist ständiges Mitglied der Jury Kinderprogramme beim Robert-Geisendörfer-Preis, dem Medienpreis der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD).