15 Jahre "Zimmer frei!" - "Gysi war eine Enttäuschung"

15 Jahre "Zimmer frei!" - "Gysi war eine Enttäuschung"
Vom Geheimtipp zum Dauerbrenner: Die unkonventionelle WDR-Talkshow "Zimmer frei!" startete im Juli 1996 und ist mittlerweile Kult. Am 10. Juli 2011 feiern die Moderatoren Christine Westermann und Götz Alsmann den 15. Geburtstag der schrägen TV-Wohngemeinschaft mit einer regulären Ausgabe (22.15 Uhr, WDR) und der anschließenden Jubiläumssendung "Happy Birthday, Zimmer frei!" (23.15 Uhr). In der Ausgabe um 22.15 Uhr begrüßt das launige Duo den Premierengast von 1996 nochmals: Karl Moik, Ex-Moderator der Volksmusiksendung "Musikantenstadl".
08.07.2011
Die Fragen stellte Martin Weber

Frau Westermann, seit 15 Jahren moderieren Sie gemeinsam mit Götz Alsmann die Talkshow "Zimmer frei". Welcher prominente Gast war Ihnen denn der liebste?

Christine Westermann: Eine Superlativ-Frage ist die schwierigste Frage überhaupt. Unter den fast 600 Gästen gab es einige, die einem nahe waren und die man noch eine Zeit lang im Herzen hatte, bis sie dann von anderen wieder verdrängt wurden. Alfons Schuhbeck würde mir spontan einfallen.

Warum gerade der Fernsehkoch Schuhbeck?

Westermann: Weil er sehr offen und amüsant war. Er hat nach der Sendung in der Garderobe sein Hemd ausgezogen, um uns seinen durchtrainierten Oberkörper zu zeigen – das war zwar sehr schräg, aber nicht die Spur peinlich. Er wollte uns einfach demonstrieren, dass man mit ein bisschen Training auch jenseits der 50 noch fit sein kann. Es gab so viele gute Gäste in den letzten 15 Jahren, Eva Mattes zum Beispiel...

...die "Tatort"-Kommissarin.

Westermann: Genau. Sie erzählte von einer Seherin, bei der sie war. Die hatte vermutet, Eva Mattes sei in einem früheren Leben eine Anführerin bei den Hunnen gewesen. Darüber haben wir uns unterhalten, und das Gespräch hatte etwas wirklich Magisches. Ganz anders, aber auch magisch, war Armin Maiwald, der Erfinder der "Sendung mit der Maus", der seine Rührung nicht zurückhalten konnte, als er von einem einschneidenden Kindheitserlebnis erzählte – das sind Momente, die schwierig, aber auch schön sind, weil sich jemand in diesem Augenblick ganz öffnet.

Wie lassen sich diese intimen Momente erzeugen, auf welche Gesprächstaktik greifen Sie zurück?

Westermann: Mit Taktik oder Tricks hat das nichts zu tun, sondern mit Zuhören, mit Interesse an Menschen und vermutlich Einfühlungsvermögen. Ich lege es aber auch nicht darauf an, diese Momente ergeben sich einfach aus dem Gespräch – oder eben nicht. Ich hake manchmal intensiver nach, wenn sich jemand über Tod und Verlust äußert, weil ich das selbst erlebt habe, als mein Vater überraschend starb. Ich war damals ein Kind, aber es beschäftigt mich bis heute.

Treffen Sie vor der Sendung Absprachen mit den Gästen?

Westermann: Nein. Aber es gibt einen Grundsatz: Wenn im Dossier steht, über dieses oder jenes möchte er oder sie auf keinen Fall reden, dann spreche ich dieses Thema auch nicht an. Das ist eine Frage des Anstands und der Fairness. Rein theoretisch könnte man es ja auch genau darauf anlegen, dabei allerdings auch riskieren, dass der Gast aufsteht und die Sendung verlässt.

Das ist Ihnen allerdings auch schon passiert: ZDF-Moderator Cherno Jobatey ist für mehrere Minuten verschwunden, als Götz Alsmann und Sie ihn wegen seiner früheren Legasthenie aufgezogen haben, die Sendung durfte jahrelang nicht gezeigt werden.

Westermann: Wir haben ihn nicht damit aufgezogen, er selbst hat das überall öffentlich zum Thema gemacht. Er war stolz, dass die Legasthenie seine Karriere nie behindert hat. Er hat übrigens damals die Ausstrahlung der Sendung verhindert. Ansonsten aber glaube ich, dass sich beide Parteien in dieser Sendung nicht mit Ruhm bekleckert haben. Ich hätte ihn gerne noch mal als Gast in der Sendung – einfach, um zu sehen, wie erwachsene Leute zwölf Jahre nach einem solchen Eklat miteinander umgehen.

Ärger gab es auch mit anderen Gästen, etwa mit dem ehemaligen Chefredakteur der Satirezeitschrift "Titanic", Martin Sonneborn. Welche Gäste sind Ihnen denn sonst noch in eher unguter Erinnerung?

Westermann: Da gab es schon den ein oder anderen. Es ist bei "Zimmer frei" wie im richtigen Leben: Entweder die Chemie stimmt oder sie stimmt nicht. Nicht gestimmt hat sie zum Beispiel beim Hauptdarsteller einer populären ZDF-Krimiserie. Das merkt man ziemlich schnell, und dann wird es spannend: Wie bringt man die nächsten 55 Minuten ohne Peinlichkeit hinter sich? Da kommt dann manchmal das Knie ins Spiel. Götz Alsmann und ich verständigen uns unter dem Tisch per Knie miteinander, unsere ganz eigene Körpersprache.

Sind Schauspieler schwieriger als andere Gesprächspartner?

Westermann: Das will ich so nicht behaupten, wobei mir Schauspieler immer sagen, dass sie besonders nervös sind, weil sie in unserer Sendung keine Rolle spielen können wie in einem Film oder einer Serie. Nein, auch andere Gäste können schwierig sein. Gregor Gysi zum Beispiel war über Jahre mein Wunschgast, und als er dann endlich kam, war er eher eine Enttäuschung. Er wollte wohl alles politisch korrekt über die Bühne bringen. Das war langweilig, wenig inspirierend, und er war bei Weitem nicht so wortgewandt, wie man es von ihm kennt. Wenn ich merke, dass Gäste keine Spontaneität zeigen, dann werde ich leicht ungeduldig. Leider merkt man mir das auch an. Aber ich habe Götz Alsmann als ausgleichendes Element an meiner Seite. Er kennt mich gut.

Wie in einer alten Ehe.

Westermann: Ja, das trifft es ganz gut. Wir sind gute Freunde, haben es aber kurioserweise in 15 Jahren nicht einmal geschafft, zusammen mit unseren richtigen Ehepartnern essen zu gehen.

Gibt's denn auch mal Knatsch?

Westermann: Das ist dann aber auch wie in einer langen Ehe: Der eine merkt es sehr gut, wenn er dem anderen über den Mund gefahren ist oder angeeckt ist und entschuldigt sich bei erstbester Gelegenheit – das können wir beide mittlerweile ganz gut.


Die gelernte Journalistin Christine Westermann wurde in den siebziger und achtziger Jahren als Moderatorin der ZDF-"Drehscheibe" und der "Aktuellen Stunde" im WDR bekannt. Für "Zimmer frei!" erhielt sie 2000 gemeinsam mit Götz Alsmann den Grimme-Preis. Die 62-Jährige ist verheiratet und lebt in Köln.

Martin Weber ist freier Journalist und Medienbeobachter in Berlin.