Katholische Kirche sucht Wege aus der Vertrauenskrise

Katholische Kirche sucht Wege aus der Vertrauenskrise
Mit einem Gesprächsprozess will die katholische Kirche in Deutschland nach Wegen aus der Vertrauenskrise suchen. "Heute beginnt etwas Neues in der katholischen Kirche", sagte der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Robert Zollitsch, am Freitag bei der zweitägigen Auftaktveranstaltung des auf fünf Jahre angelegten Gesprächsprozesses in Mannheim. In den kommenden Jahren soll es vier weitere Treffen geben.

Die deutschen katholischen Bischöfe hatten den Dialogprozess unter dem Eindruck der Missbrauchskandale bei ihrer Herbsttagung im vergangenen Jahr beschlossen. Bei der Auftaktveranstaltung unter dem Titel "Im Heute glauben" soll laut Zollitsch zunächst eine Standortbestimmung vorgenommen werden, etwa zur Frage, welche Schwächen und Stärken die katholische Kirche für sich erkennt. Der Freiburger Erzbischof kündigte an, bei dem Dialog kein Thema ausschließen zu wollen.

"Wir haben keinen fertigen Fünfjahresplan"

"Ich habe mich von keiner Seite unter Druck setzen lassen", betonte Zollitsch vor rund 300 Teilnehmern aus Diözesen sowie Vertretern katholischer Fakultäten, Ordensangehörigen und Mitgliedern des Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK). Der Dialogprozess solle "ergebnis- und überraschungsoffen" verlaufen. "Wir haben noch keinen fertigen Fünfjahresplan vorliegen", sagte Zollitsch. Die derzeit dringendste Frage sei aber nicht die nach dem Zölibat oder der katholischen Sexualmoral.

Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse (SPD), der dem Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) angehört, kritisierte vor dem Treffen die hierarchischen Strukturen innerhalb der katholischen Kirche. "Ich glaube, dass eine dominante Klerikerkirche keine Zukunft hat", sagte er in einem Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd). Durch die Missbrauchsskandale sei das Klerikerbild in der Öffentlichkeit stark beschädigt worden. Mit Blick auf die sinkenden Priesterzahlen und immer größer werdende Kirchengemeinden sprach sich der SPD-Politiker dafür aus, den Laien in der Kirche mehr Rechte einzuräumen. "Die Frage ist: Was können Laien tun, was können aber auch Frauen und Diakone tun?", sagte Thierse.

Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Freiburgs Erzbischof Robert Zollitsch (am Pult), beim katholischen Gesprächsforum "Im Heute glauben" in Mannheim. Foto: dpa

Kritik an dem von der Bischofskonferenz initiierten Dialogprozess kommt vor allem von katholischen Reformbewegungen. Die Auswahl der Teilnehmer sei nicht transparent, nur vier der 27 Diözesen hätten auf ihren Internetseiten auf das Mannheimer Gesprächsforum aufmerksam gemacht, sagte Magnus Lux von "Wir sind Kirche". Der Sprecher der Initiative, Christian Weisner, kritisierte, dass die Reformbewegung zu den Gesprächen nicht eingeladen worden sei. Gleichzeitig äußerte er aber die Erwartung, "dass es endlich gelinge, eine Dialog- und Gesprächskultur zu erreichen". Die Veranstaltung sei ein Stresstest für die katholische Kirche.

Der ehemalige Tübinger Theologieprofessor Hermann Häring sagte zum Umgang mit dem Missbrauchsskandal und der Bewältigung von Krisen: "Die Situation der katholischen Kirche in Deutschland ist katastrophal." Die deutschen Bischöfe seien zu konfliktscheu, deshalb "hängt nun viel davon ab, ob diese Gespräche zu wirksamen Gesprächen werden", sagte Häring, der ein Schüler von Hans Küng ist. Er forderte seine Kirche auf, ihre langjährige Strategie der Gesprächsverweigerung endlich aufzugeben.

Evangelium verliert an Bedeutung

Aktueller Anlass für den Dialogprozess waren die aufgedeckten Fälle des sexuellen Missbrauchs durch kirchliche Mitarbeiter. Sie offenbarten für Zollitsch jedoch das tiefergehende Problem, dass das Evangelium an Bedeutung verliert. Die Gespräche enden 2015 mit der Feier zum 50. Geburtstag des Zweiten Vatikanischen Konzils. Der Essener Bischof Franz-Josef Overbeck warb im Vorfeld um Verständnis, wenn auf dem Weg zu Reformen nicht alles reibungslos funktioniere. "Zugegebener Weise haben wir mit solche einem Prozess auf überdiözesaner Ebene noch so gut wie keine Erfahrungen."

In den nächsten vier Jahren will die Kirche intensiv über verschiedene Gesichtspunkte debattieren. Dabei sind folgende Jahresthemen vorgesehen: 2011 - Im Heute glauben: Wo stehen wir? 2012 - Diakonia: Unsere Verantwortung in der freien Gesellschaft. 2013 - Liturgia: Die Verehrung Gottes heute. 2014 - Martyria: Den Glauben bezeugen in der Welt von heute. 2015 - Gedenken an das Zweite Vatikanische Konzil vor 50 Jahren.

Außerdem will die Deutsche Bischofskonferenz gemeinsam mit dem Zentralkomitee der deutschen Katholiken in dieser Zeit zwei Themenfelder behandeln: Priester und Laien in der Gesellschaft und Präsenz der Kirche in Gesellschaft und Staat. Nicht zuletzt soll der Reformprozess auch bei mehreren großen Kirchenereignissen eine Rolle spielen: beim Papstbesuch im September, bei einem Eucharistischen Kongress 2013 in Köln sowie bei den Katholikentagen 2012 in Mannheim und 2014 voraussichtlich in Regensburg.

epd/dpa