Gespaltener Sudan: Nord und Süd brauchen sich weiterhin

Gespaltener Sudan: Nord und Süd brauchen sich weiterhin
Afrika hat von Samstag an einen weiteren Staat: Der Südsudan wird unabhängig und zum 54. Land des Schwarzen Kontinents. Doch auch nach der Abspaltung vom Norden bleiben alle Sudanesen aufeinander angewiesen. Nicht zuletzt das umkämpfte Öl verbindet sie. Der Süden hat die Quellen, der Norden die Pipelines.

Am Samstag wird die bisher halbautonome Regierung von Präsident Salva Kiir, die aus der Rebellenarmee SPLA hervorging, die Amtsgeschäfte voll übernehmen. Für den Vormittag ist eine Zeremonie in Anwesenheit zahlreicher Staats- und Regierungschefs geplant. Auch UN-Generalsekretär Ban Ki-Moon will daran teilnehmen. Für viele der acht Millionen Südsudanesen, die vorwiegend Anhänger des Christentums oder afrikanischer Religionen sind, ist es einer der wichtigsten Tage in ihrem Leben. Der 54. Staat Afrikas wird eine Ausdehnung von 619.745 Quadratkilometern haben und ist damit etwa so groß wie Spanien und Portugal zusammen. Die Hauptstadt Dschuba liegt im Süden des Landes.

Zwei Millionen Tote zu beklagen

Im Januar stimmten die Südsudanesen mit einer überwältigender Mehrheit von 99 Prozent für eine Loslösung vom islamisch-arabisch dominierten Norden. In zwei Kriegen hatten sie jahrzehntelang für ihre Unabhängigkeit gekämpft. Fast zwei Millionen Menschen sind infolge der Kämpfe gestorben. Doch auch die Gegenwart wird von Gewalt beherrscht. Vor allem im Grenzgebiet gibt es immer wieder schwere Kämpfe, seit die nordsudanesische Armee Ende Mai die umstrittene und erdölreiche Grenzregion Abyei eingenommen hat. Auch der Status von zwei anderen Grenzgebieten muss nach der Unabhängigkeit des Südens noch geklärt werden.

Geografisch gehört die Abyei-Region eher zum Norden, die Bevölkerung ist jedoch vornehmlich schwarzafrikanisch wie im Süden. Beide Teile erheben Anspruch auf Abyei. Ein vereinbartes Referendum, bei dem die Bevölkerung entscheiden soll, ob sie zum Norden oder zum Süden gehören wollen, hat bislang nicht stattgefunden. Wegen seiner Ölvorkommen könnte der Süden international ein interessanter Handelspartner werden: 85 Prozent des Erdöls, das der Suden im vergangenen Jahr exportierte, wurden im Süden gefördert. Allerdings kann der Süden den Handel auch in Zukunft nicht ohne den Norden abwickeln, denn alle Pipelines fließen durch den Norden, dort sind auch die Exportterminals und der Hafen. Der Süden selbst hat keinen Zugang zum Meer.

So werden Nord und Süd auch in Zukunft aufeinander angewiesen bleiben, und die am Erdöl interessierten Staaten werden vermutlich auch weiterhin dafür sorgen, dass ihre Kontakte zum muslimischen Norden nicht abbrechen. Bis zum Tag der Unabhängigkeit bekamen Süd und Nord jeweils die Hälfte aller Erdöleinnahmen. Nach einer Hochrechnung der "Neuen Zürcher Zeitung" waren das im vergangenen Jahr knapp zwei Milliarden US-Dollar. Wie hoch der Anteil nach der Teilung sein wird, muss zwischen den beiden Staaten neu verhandelt werden.

Kampf zwischen Arabern und Schwarzafrikanern

Anders als im islamischen Norden, in dem Präsident Omar Al-Baschir die Scharia einführen will, gehören die Südsudanesen vor allem den traditionellen afrikanischen Religionen und dem Christentum an. In den Konflikten, die seit gut 50 Jahren im Sudan toben, geht es um die Konkurrenz zwischen den beiden ethnischen Gruppen der Araber und der Schwarzafrikaner sowie um die Verteilung von Ressourcen.

Auch innerhalb des Südsudan gibt es gewalttätige Auseinandersetzungen. Mehrere hohe Offiziere haben zu den Waffen gegriffen und rebellieren offen gegen die Regierung. Sie fordern mehr Demokratie und ein Ende der Korruption. Viele befürchten, dass die Regierung nicht in der Lage ist, das Geld aus Öleinnahmen und internationaler Hilfe richtig zu verwalten. Regierung und Verwaltung des neuen Staates werden überwiegend von ehemaligen Rebellen gestellt. Der neue Präsident Kiir stand dem Südsudan als teilautonomer Region vor und war bis zur Spaltung Vizepräsident des Sudan.

Ein Problem ist die humanitäre Lage. Im Südsudan gibt es kaum Infrastruktur, auch wenig Verwaltungsstrukturen. Wie im Norden lebt die überwiegend arme Bevölkerung von Landwirtschaft, internationaler Hilfe und Gelegenheitsjobs. Schätzungen zufolge können nur rund 70 Prozent der über 15-Jährigen lesen und schreiben. Vor allem die Menschen, die aus dem Exil in den Südsudan zurückkehren stehen Helfern zufolge oftmals vor dem Nichts. "Viele Flüchtlinge sitzen völlig mittellos am Rande der Dörfer. Sie haben keine Unterkünfte, kein neues Land und keinerlei Einkommensmöglichkeiten", betont die Präsidentin der Welthungerhilfe, Bärbel Dieckmann.

UN-Anerkennung nächste Woche

Die Vereinten Nationen haben im Südsudan bereits seit 2005 die Mission UNMIS mit bis zu 10.000 Soldaten im Einsatz, an der die Bundeswehr mit derzeit 32 Soldaten beteiligt ist. Dieses Mandat geht mit der Unabhängigkeit zu Ende. Das Bundeskabinett hat die deutsche Beteiligung zunächst bis Ende September verlängert. Künftig sollen im Südsudan bis zu 50 deutsche Soldaten eingesetzt werden. Vermutlich am Mittwoch nächster Woche wird der UN-Sicherheitsrat, in dem Deutschland derzeit den Vorsitz führt, über die Aufnahme des Südsudan in die Vereinten Nationen entscheiden. Der Südsudan wäre dann das 193. Mitgliedsland der Vereinten Nationen.

Das Christentum hat im Sudan eine Jahrhunderte alte Tradition. Erster Bischof von Nubien war der Missionar Longestus, den die Kaisergattin Theodora im Jahr 569 in die Region entsandt hatte. Von 580 an wirkte er auch im heutigen Sudan. Infolge der islamischen Ausbreitung in Afrika ging die Zahl der Christen zurück, im Nordsudan sind die Muslime bis heute in der Mehrzahl. Mit der britisch-ägyptischen Doppelherrschaft, die 1899 begann, kamen zahlreiche anglikanische Missionare ins Land. Die meisten der heute rund zwei Millionen sudanesischen Christen leben im nun unabhängigen Süden. Sie sind überwiegend anglikanisch und katholisch.

epd/dpa