Im Schatten eines Baumes sitzen die Ältesten auf einfachen Holzbetten, rundherum drängen sich Männer und Frauen. Alle haben ernste Gesichter. "Unsere Lage ist nicht einfach", sagt Garang Gulo Bol. Der 47-Jährige ist der Anführer oder "Chief" der Familien, die hier im Norden des Südsudan leben, in der Region Nord Bahr el Ghazal, in einem Camp namens Mangar Akot. 800 Familien sollen es sein, diese Zahl jedenfalls nennt Garang Gulo Bol, und zu jeder Familie gehören fünf bis sechs Menschen.
"Wir sind am 7. Januar von Khartum aus aufgebrochen, drei Tage später waren wir hier", erzählt der Älteste. Sie wollten aus der Hauptstadt des Sudan zurück in den Süden, weil die Unabhängigkeit ihrer Heimat nur noch eine Frage von Monaten war. Und weil sie glaubten, hier eine Zukunft zu haben. "Als wir noch in Khartum waren, haben Vertreter der Regierung des Südsudan gesagt, die Hilfsorganisationen würden sich im Süden um uns kümmern", erzählt Gulo Bol. "Deshalb haben wir uns auf den Weg gemacht."
Die Gedanken kreisen ums Essen
Der Älteste bezieht sich auf die Regierung von Präsident Salva Kiir, die in der südsudanesischen Hauptstadt Juba bereits kommissarisch im Amt ist. Nach der Unabhängigkeit des Südsudan wird er die Geschäfte voll übernehmen. Doch in Mangar Akot ist von Freude nichts mehr zu spüren. "9. Juli?", fragt eine alte Frau zurück statt zu beschreiben, was sie nach dem jahrzehntelangen Krieg um die Unabhängigkeit erwartet. Das Datum sagt ihr nichts, auch wenn sie weiß, dass der Südsudan bald ein eigener Staat sein wird. Ihr geht es wie vielen in Mangar Akot: Ihre Gedanken kreisen ums Essen.
Die Lage von Aree Jongkor Achian - so heißt die alte Dame, die ihr Alter auf über 70 Jahre schätzt - ist allerdings besonders schwierig, denn sie ist blind. Und seit dem Aufbruch aus Khartum ist sie plötzlich für die beiden Kinder ihres Sohnes verantwortlich. "Mein Sohn hat uns vorausgeschickt und gesagt, er werde bald nachkommen. Aber er ist nie hier aufgetaucht." Ihre Schwiegertochter verschwand, als das Gepäck der Familie schon auf einem der vielen Lkw festgezurrt war: "Sie sagte, sie gehe noch eben etwas holen und ist nicht wieder gekommen."
Seit April sind alle Lebensmittel verbraucht
Wovon sie jetzt lebt, hat die alte Dame schnell erklärt: "Die Kinder sammeln wilde Früchte, die essen wir." Weil sie mit dem Chief der Gruppe verwandt ist, bekommt sie von Gulo Bol Unterstützung. Aber der hat auch nicht viel zu verteilen, weil er seinerseits von der Hilfe von Verwandten abhängt, die in der Nähe leben.
"Kurz nachdem wir hier angekommen sind, haben wir vom Welternährungsprogramm Lebensmittel für drei Monate bekommen", erzählt er. Das ist die übliche Ration für alle Rückkehrer, die offiziell registriert sind. Aber viele sind auch spontan gekommen, sind deshalb nirgendwo aufgelistet, fallen durch die Raster der Hilfe. Seit April sind diese Lebensmittel verbraucht. Seitdem müssen die Menschen in Mangar Akot selbst sehen, wie sie klar kommen.
Und das gilt nicht nur hier: Hunderttausende Rückkehrer aus dem Nordsudan sind in derselben Situation. Denn im Nordsudan hatten viele nur einfache Jobs, konnten kein Geld zurücklegen und haben jetzt kein Startkapital. Wer keine Familie hat, die ihn unterstützten kann, gerät nun im Süden in existenzielle Not.
"Ich kann ihnen nichts anderes sagen als: Habt Geduld"
Die Deutsche Welthungerhilfe kann an diesem Morgen in Mangar Akot Güter für mindestens 5.000 Menschen verteilen: Zeltplanen und Seile zum Befestigen, faltbare Wasserkanister und Tabletten zur Aufbereitung von Wasser, außerdem Buschmesser. Die Hilfe ist willkommen, denn die Regenzeit hat angefangen und eine wasserdichte Unterkunft ist überlebenswichtig. Es sind aber viel mehr als 5.000 Rückkehrer, die bislang nur ein paar löchrige Strohmatten als Unterschlupf haben.
Außerdem brauchen die Menschen auch Lebensmittel. Nach Angaben der Hilfsorganisation Concern, die in Nord Bahr el Ghazal Ernährungs- und Gesundheitsprogramme betreibt, sind rund um Mangar Akot 40 Prozent der Menschen akut oder chronisch mangelernährt.
Viele Menschen seien sehr enttäuscht, sagt Bulo Bol. "Sie fühlen sich allein gelassen. Sie haben den Eindruck, dass sich niemand für ihre Not interessiert." Weil er ihr Anführer sei, kämen sie mit allen offenen Fragen zu ihm. "Sie fragen mich: 'Wie sollen wir hier überleben?' Und ich kann ihnen nichts anderes sagen als: Habt Geduld."