Das erste Feature, das bei der erstmaligen Nutzung ins Auge springt, sind die Kreise: Nutzer können bei Google+ ihre Kontakte in Kommunikationskreise einteilen, etwa in "Familie", "Bekannte", "Arbeitskollegen" und anderen beliebig zu definierenden "Kreisen". Die Nutzer wissen jedoch nur, dass sie sich in einem Kreis befinden, nicht jedoch in welchem. Nachrichten mit Texten, Bildern oder Videos können dann wie bei Facebook mit anderen geteilt werden. Dabei wählt man einen, mehrere oder alle Kreise aus, auch lassen sich die Nachrichten für alle Internetnutzer im Web veröffentlichen. Für die Bildverwaltung integriert Google+ den Google-Bilderdienst Picasa, wobei Nutzer anders als bei Picasa Bilder in beliebiger Größe kostenlos hochladen können.
Google lernt aus Kritik
Google hat damit aus der Datenschutz-Krise des im letzten Jahr gestarteten Dienstes "Google Buzz" gelernt. Damals wurden Googlemail-Nutzer davon überrascht, dass die häufigsten Mail-Kontakte gleich einmal in die Liste der "Mitleser" eingetragen wurden. Diese Liste konnte wiederum von anderen "Mitlesern" eingesehen werden. Das stieß auf heftige Kritik - Google musste im Anschluss mehrfach korrigieren. Diesmal schlägt Google lediglich Kontakte aus dem Googlemail-Konto vor.
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Bei Google+ können Nutzer nun eine nahezu vollständige Kontrolle über ihre Nachrichten ausüben: Sie definieren nicht nur, wer sie bekommt. Sie können auch verhindern, dass die Empfänger die Nachricht mit anderen teilen. Natürlich können die Empfänger über Umwege wie etwa Screenshots die Inhalte dennoch weiterverteilen, doch das geschieht dann nicht versehentlich. Eine Google-Mitarbeiterin kündigte per Video am Wochenende an, dass dieses Feature künftig keine Option, sondern zur Standardeinstellung werden soll.
Unerwünschte Personen können ignoriert werden
Google+-Nutzer können auch Nicht-Nutzer einbeziehen: Tragen sie deren E-Mail-Adresse in einen Kreis ein, erhalten sie alle Nachrichten per E-Mail, die an diesen Kreis gehen. Sie können jedoch auch ihren Kommunikationsradius bewusst beschränken: In dem Kreis "nur folgen" können sie interessanten Personen folgen, ohne sie aus Versehen mit eigenen Nachrichten behelligen zu können. Dabei sieht man jedoch nur die öffentlichen Nachrichten der Nutzer. Umgekehrt kann jeder unerwünschte Personen oder auch nur einzelne Nachrichten ignorieren bzw. blockieren. In der Ersteinstellung übernimmt Google dabei die Blockier-Einstellungen aus Google-Reader und Google-Buzz.
Das mobile Google+ wertet außerdem die Standortdaten der Nutzer aus, um Nachrichten von den Nutzern anzuzeigen, die sich in der Nähe befinden. Nutzer der Google+-App müssen dabei der Nutzung ihrer Positionsdaten zustimmen. Wollen sie das nicht, müssen sie die mobile Website von Google+ verwenden, die jedoch über weniger Funktionalitäten verfügt.
Richtig interessant wird dabei die mobile Google+-Anwendung: Hier können über diese Funktion Gruppen-Nachrichten an Handys verschickt werden. Google+ hat damit nicht nur Facebook- sondern auch Twitter-Funktionen übernommen. Doch nicht nur Twitter und Facebook müssen sich warm anziehen: Auch für Skype stellt Google+ eine ernst zu nehmende Konkurrenz dar: So können Nutzer für definierte Kreise Gruppen-Videokonferenzen durchführen. Google integriert damit sein schon lange vorhandenes Video-Übertragungswerkzeug in ein Kommunikationsnetzwerk.
Nutzer können noch mitgestalten
Derzeit befindet sich der Dienst noch in der Beta-Phase. Das heißt: Noch reagiert Google schneller auf Nutzerwünsche und korrigiert hier und dort diverse Features. Mitglied werden kann man zurzeit nur auf Einladung eines Google+-Nutzers. Voraussetzung ist außerdem ein Googlemail-Konto.
Für Google ist das Projekt von zentraler Bedeutung: Es soll das Gesamtunternehmen Google stärker auf die Menschen zentrieren. Dafür bündelt Google+ zahlreiche bereits vorhandene Google-Dienste und -Features. Wie die Zeitschrift "Wired" im Vorfeld berichtete, waren Hunderte von Entwicklern an dem Projekt beteiligt. Noch sollen auch noch gar nicht alle Merkmale verfügbar sein - der Dienst befindet sich eben noch in Entwicklung. Die Akzeptanz befördern dürften die zahlreichen Kontrollfunktionen. Damit könnten vor allem Facebook-Mitglieder gewonnen werden, die von der sich ständig ändernden, aggressiven Datenschutzpolitik bereits zermürbt sind.
Christiane Schulzki-Haddouti lebt und arbeitet als freie Journalistin in Bonn.