Ein wenig schüchtern lächelt Khatira in die Kamera. Mit einem Tuch hat die 21-Jährige ihr Haar bedeckt, wie es für Frauen üblich ist in Afghanistan. Es ist himmelblau. Die Farbe steht ihr. Mit ihrem blassen, weichen Gesicht wirkt sie viel jünger - und manchmal etwas traurig. Vielleicht liegt es daran, dass sie dort, wo sie lebt, nicht zu Hause ist - als Flüchtling in Peschawar, Pakistan. Und dennoch: Sie hat Glück gehabt. Der Afghanische Frauenverein hat sich ihrer angenommen.
Die junge Lehrerin Khatira (Foto: epd-bild/Nadia Nashir Karim)
Sitz des Vereins unter Schirmherrschaft von Roger Willemsen ist die deutsche Gemeinde Hagen in der Nähe von Osnabrück. Dort lebt und arbeitet seit 19 Jahren Nadia Nashir Karim. Die 55-Jährige ist gebürtige Afghanin und hat den Verein 1992 gemeinsam mit anderen in Deutschland lebenden afghanischen Frauen gegründet. Sie ist bis heute die Vorsitzende und unermüdliche Organisatorin, Koordinatorin, Werberin, Spendeneintreiberin.
Kathiras Weg: Schule, Abi, Lehrerin
"Wir ermöglichen Frauen Bildung und Ausbildung und geben ihnen eine Chance, auf eigenen Füßen zu stehen", beschreibt sie das Ziel des Vereins. Denn oft müssten die Frauen im von Krieg und Terror geplagten Land den Unterhalt der Familien sichern. Der Verein unterstützt mittlerweile 16 Projekte in Nord- und Südost-Afghanistan sowie in Flüchtlingslagern bei Peschawar in Pakistan.
Er baut in weit abgelegenen Regionen Brunnen, Krankenstationen und Schulen. "Wir gehen dahin, wo sonst niemand hingeht, auch keine andere Hilfsorganisation", sagt Karim. Die mehr als 130 Mitarbeiter vor Ort sind Lehrerinnen, Krankenschwestern, Ärzte oder Verwalter. Im Armenviertel von Peschawar, dort wo Khatira lebt, hat Karim 1994 die Marefat-Mädchenschule gegründet.
Nadia Nashir Karim hat Khatira besonders ins Herz geschlossen. Ihr Weg spiegelt auch die erfolgreiche Arbeit des Frauenvereins wider. Khatira lebt schon fast ihr ganzes Leben in Peschawar. Immerhin: Sie hat dort ihre Familie: Vater, Mutter und sechs jüngere Geschwister. Als Schülerin hat sie es an der Marefat-Schule bis zum Abitur geschafft. Heute ist sie selbst Lehrerin an dieser Schule. Sie träumt davon, eines Tages zurückzukehren in ihre Heimat Afghanistan, wenn die Lage dort sicherer ist.
Sauberes Trinkwasser für 35.000 Menschen
Sauberes Wasser ist für die Gesundheit der Menschen unverzichtbar (Foto: Afghanischer Frauenverein)
Der Verein ist nach ersten bescheidenen Anfängen sehr erfolgreich in seiner Arbeit. 2010 haben Mitarbeiter knapp 20.000 Menschen medizinisch versorgt. Rund 60.000 wurden geimpft. 45 Brunnen wurden gebaut. Damit versorgt der Verein insgesamt täglich etwa 35.000 Menschen mit sauberem Trinkwasser. Mehr als 2.000 Jungen, Mädchen und Frauen können zur Schule gehen und eine Ausbildung machen. Der Verein arbeitet mit der Weltgesundheitsorganisation WHO und dem Flüchtlingshilfswerk UNHCR zusammen.
Der Erfolg des afghanischen Frauenvereins liegt auch im Engagement seines Schirmherrn Roger Willemsen begründet. Der Journalist und Autor ist seit 2005 dabei. Er liest, schreibt und wirbt unermüdlich. Der 2006 erschienene Bestseller "Afghanische Reise" ist die Dokumentation seiner ersten Tour durch das Land, bei der Nadia Karim ihn begleitete. Sein Einsatz gehe weit über die Aufgaben einer normalen Schirmherrschaft hinaus, sagt die Vorsitzende.
In der Schule trägt Khatira heute ein schwarzes Tuch. Das lässt sie etwas strenger aussehen. Sie steht in einem kahlen Raum hinter einem altersschwachen Tisch - ihrem Lehrerinnenpult. Die Schülerinnen tragen weiße Tücher über der lila Schuluniform. Und sie hängen an ihren Lippen. Khatira ist dankbar für die Chance, die sie bekommen hat. In einem Brief schreibt sie: "Ich möchte meinen herzlichen Dank sagen dem Verein, dass die Kinder Afghanistans sich weiterbilden können und eine glücklichere und bessere Zukunft haben."
Spendenkonto: Afghanischer Frauenverein, Commerzbank Koblenz, BLZ 570 800 70, Konto 0 680 850 500.