"Es ist eine Schande, wenn in den Reihen der SPD eine solche Debatte überhaupt möglich ist, und das Oberhaupt der Katholiken in der Welt dermaßen unflätig und unsachlich angegriffen werden kann", sagte der Vorsitzende des Evangelischen Arbeitskreises der CDU/CSU (EAK), Thomas Rachel, am Montag in Berlin. Unions-Fraktionschef Volker Kauder bezeichnete den Boykottaufruf als "Ausdruck von religiöser Intoleranz und politischer Unvernunft".
Arbeitskreis "Laizisten in der SPD"
Auch bei der Beauftragten der SPD-Bundestagsfraktion für Kirche und Religionsgemeinschaften, Kerstin Griese, und dem Linken-Politiker Bodo Ramelow stieß der Aufruf des SPD-Abgeordneten Rolf Schwanitz auf Kritik. Schwanitz ist Sprecher der laizistischen SPD-Arbeitsgruppe. Diese ist vom Parteivorstand nicht anerkannt und vertritt nur eine kleine Minderheit der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion. Auch die Fraktionsspitze hatte den Boykottaufruf zurückgewiesen.
Rachel sagte, der jüngste Aufruf des SPD-Bundestagsabgeordneten Schwanitz belege, "in welch erschreckendem Maße kirchen- und christentumsfeindliche Tendenzen in der SPD Raum gewinnen". Die evangelischen Christen in der Union freuten sich auf den Papstbesuch in Deutschland und hofften, "dass von diesem starke Impulse für die Ökumene sowie ein sichtbares Zeichen für die segensvolle Gegenwart der Kirchen in unserem Land ausgehen mögen".
Kauder kritisierte in der in Düsseldorf erscheinenden "Rheinischen Post" (Dienstag), einige SPD-Abgeordnete wollten die Papstrede zu einer "Demonstration von aggressivem Atheismus" nutzen. "Das ist beschämend." Wer dazu aufrufe, der Rede fernzubleiben, drücke damit nicht nur Distanz zu katholischen Kirche aus, unterstrich Kauder. "Er vergisst auch, dass der Papst eine Stimme für Frieden und Menschenrechte auf der ganzen Welt ist."
Vom Bundestag eingeladen
Die SPD-Politikerin Griese betonte, das Oberhaupt der katholischen Kirche sei vom Bundestag eingeladen worden und daher finde sie es gut, ihm zuzuhören. Dies gelte unabhängig davon, dass man Kritik an Positionen des Papstes haben könne und auch äußere, sagte sie den Zeitungen der Essener WAZ-Mediengruppe (Montag). Griese widersprach zugleich dem Eindruck, hinter Schwanitz stünde die Mehrheit der SPD-Fraktion: "Das ist falsch."
Der Linken-Politiker Ramelow sagte den WAZ-Zeitungen, der Papst sei Staatsgast. "Und man sollte diesem Staatsgast die Höflichkeit entgegenbringen, die man auch anderen Staatsgästen entgegenbringt." Er werde sich die Rede anhören. Auch die Vorsitzende der CDU/CSU-Arbeitsgruppe Menschenrechte und Humanitäre Hilfe im Bundestag, Erika Steinbach, kritisierte den Aufruf. Der geplante Boykott sei "skandalös", sagte sie. Der deutsche Papst stehe für Nächstenliebe und ein respektvolles Miteinander der Religionen.
Der Vorsitzende des Bundestags-Innenausschusses, Wolfgang Bosbach (CDU), erwartet, dass die Rede des Papstes im Bundestag eine "Sternstunde des Parlaments" wird. Es sei "mehr als peinlich, dem Heiligen Vater schon bevor er angereist ist, zu signalisieren, dass er im Deutschen Bundestag nicht willkommen ist", sagte er der "Rheinischen Post" (Montag). "Ich kenne kein vernünftiges Argument, weshalb man es dem Papst untersagen sollte, im Bundestag zu sprechen. Das wird eine Sternstunde des Parlaments werden, nicht nur für katholische Christen."
"Staat ist weltanschaulich neutral"
Auch SPD-Fraktionsgeschäftsführer Thomas Oppermann hatte am Wochenende erklärt, er freue sich auf die Rede des Papstes. "Dadurch wird in keiner Weise infrage gestellt, dass unser Staat religiös und weltanschaulich neutral ist", sagte er der Zeitung "Bild am Sonntag". Es sei aber jedem Abgeordneten freigestellt, an der Veranstaltung teilzunehmen.
Schwanitz, der Sprecher der Arbeitsgruppe "Laizisten in der SPD" ist, hat laut "Rheinischer Post" den 146 Mitgliedern der SPD-Fraktion den Entwurf einer Erklärung geschickt, in der zum Boykott der Papstrede aufgerufen wird. Dem Oberhaupt der katholischen Kirche wird darin "Missionierung" und eine Mitschuld an der Unterdrückung von Millionen Menschen vorgeworfen.
Der Papst besucht vom 22. bis 25. September Deutschland. Stationen seiner Reise sind Berlin, das Bistum Erfurt und Freiburg. Die viertägige Reise ist der erste offizielle Besuch von Benedikt XVI. in seiner deutschen Heimat. 2005 war er beim Weltjugendtag in Köln zu Gast. Seine Reise nach Bayern im Jahr darauf hatte er als privat bezeichnet.