Domínguez, die bis heute knabenhaft wirkt und burschikos auftritt, zögerte keine Sekunde: "Hallo, ich bin Mario", stellte sie sich vor. Und dabei blieb es. Immer wieder stieß sie in ihrer stark patriarchalisch geprägten Heimat an die Grenzen des akzeptierten Frauenbildes - manches mal überwand sie sie auch. Doch der unangefochtene Star der mexikanischen Frauenfußball-Nationalmannschaft wehrt sich dagegen, als etwas Besonderes gesehen zu werden - schon gar nicht als Feministin. "Ich bin keine Ikone, ich bin einfach Fußballerin", sagt die 33-jährige nationale Torschützenkönigin entschieden.
Blitzschnell, entschlossen, unkompliziert
Im Hochleistungszentrum in Mexiko-Stadt bereiten sich die Mexikanerinnen derzeit fieberhaft auf die Weltmeisterschaft in Deutschland (26. Juni bis 17. Juli) vor. Anders als bei der bisher einzigen, desaströsen WM-Teilnahme 1999 gilt die "Tri feminil" inzwischen als ernsthafter Gegner. "Die Motivation ist extrem gut", sagt Domínguez über die Stimmung im Team. Für sich selbst erhofft sie sich einen Karriere-Höhepunkt von dem Turnier.
Im Interview verhält sich Domínguez wie auf dem Rasen: blitzschnell, entschlossen, unkompliziert. So bescherte sie ihrer Mannschaft in der WM-Qualifikation einen Überraschungssieg gegen den Topfavoriten USA, und damit das direkte Ticket nach Deutschland. Mexikos Presse verpasste ihr den Namen "Marigol" aus dem spanischen "gol" für Tor und ihrem Namen und feierte die "superstarken Mädchen". Die Stürmerin mit der Nummer 9 freut sich über den Rummel. "Die Leute erkennen uns auf der Straße und sprechen uns an - das war nicht immer so."
Erstmal mussten sich ihre Nachbarn an die Tatsache gewöhnen, dass der Straßenkicker Mario in Wirklichkeit Maribel hieß. Ihre Identität flog erst Jahre nach den Anfängen auf den Bolzplätzen auf, als sie als Jugendliche an der nationalen Olympiade für Furore im Frauenfußball sorgte. Das Fernsehen zeigte Bilder von ihr und die Menschen in ihrem Stadtviertel rieben sich verwundert die Augen.
"Ich sah nur die Chance, mit Männern zu spielen"
Doch das jüngste von neun Kindern ist nicht stolz darauf, die Jungs ausgetrickst zu haben, im Gegenteil. "Ich traute mich nach der Olympiade nicht mehr nach Hause", erinnert sie sich. "Aber wenn ich gesagt hätte, dass ich ein Mädchen bin, hätten sie mich niemals mitspielen lassen." Ihrem Trick verdankt sie immerhin, dass sie genug trainieren konnte, um 1998 als Spielerin der ersten Stunde in die neu gegründete Frauen-Nationalmannschaft berufen zu werden.
2004 sorgte "Marigol" für eine Grundsatz-Entscheidung beim Weltfußballverband FIFA. Mexikos Zweitligist Celaya bot ihr einen Vertrag an - in der Männermannschaft. "Ich wollte keinen Skandal", betont die Stürmerin. "Ich sah nur die Chance, mit Männern zu spielen und dabei zu lernen." Für Fußballerinnen gab es damals kaum gute Trainingsmöglichkeiten, bis heute hat Mexiko keine Frauenliga.
Mexikos Fußballverband Femexfut hatte dagegen nichts einzuwenden, die FIFA aber sehr wohl. Deren Präsident Joseph Blatter erteilte Domínguez eine Abfuhr: "Wenn dieses Fräulein mit Männern spielen will, dann soll sie. Aber nicht in unserer Institution", sagte er laut mexikanischen Medien. Seither sind gemischte Mannschaften bei der FIFA explizit verboten.
Verband sichtet systhematisch Talente
Aus heutiger Sicht hält die Spielerin die Entscheidung der FIFA für richtig. "Männer spielen einfach anders." Deshalb sei es wichtig, dass es auch Ligen für Frauenfußball gebe. Doch die existieren vor allem in Europa, wo auch Domínguez inzwischen spielt. Gerade hat sie ihre fünfte Saison bei Estartit beendet, in Spaniens erster Frauenliga.
Auch in Mexiko hätten sich die Bedingungen für Frauen verbessert, sagt Domínguez. "Die Machos sind Vergangenheit, und die Mädchen müssen sich heute nicht mehr als Jungen verkleiden, um mitspielen zu dürfen." Im ganzen Land gibt es immer mehr Turniere, der Verband sichtet systematisch weibliche Spielertalente und vergibt Stipendien.
Mexikanischen Mädchen mit Leidenschaft für Fußball rät sie deshalb: "Sie sollen das tun, zu dem sie sich berufen fühlen, und sie sollen es zu Hundert Prozent tun." Ein fester Händedruck, ein kumpelhafter Klaps - und der Frauenstar, der weder Star noch Feministin sein will, eilt wieder ins Training.