Forderungen nach Quote: Mehr Frauen in Chefetagen

Forderungen nach Quote: Mehr Frauen in Chefetagen
In kleinen Firmen ist mittlerweile jede dritte Stelle in der Chefetage mit einer Frau besetzt. Doch in großen Unternehmen sind sie dort weiterhin kaum vertreten. Die Diskussion um eine Frauenquote weitet sich aus.
09.06.2011
Von Lisa Krassuski und Marion Trimborn

Forderungen nach einer Frauenquote für Spitzenpositionen in Unternehmen werden lauter. Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) und EU-Justizkommissarin Viviane Reding haben Konzerne in Deutschland ultimativ aufgefordert, endlich mehr Frauen in Vorstände und Aufsichtsräte aufzunehmen. Die Politikerinnen schickten einen gemeinsamen Brief, der der Nachrichtenagentur dpa in Brüssel vorliegt, an den Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI).

Zahlen des Statistischen Bundesamts geben den Forderungen der Politikerinnen zumindest zum Teil recht: Eine aktuelle Erhebung zeigt, dass Frauen zwar insgesamt zunehmend in die Chefetagen aufrücken - aber in größeren Unternehmen in Top-Positionen nach wie vor selten sind. 2010 waren demnach knapp 28 Prozent der Führungspositionen privater Firmen mit Frauen besetzt - den Statistikern zufolge ein neuer Rekord.

Doch in den herausragenden Spitzenpositionen sind Managerinnen weiter klar unterrepräsentiert: Ihr Anteil an den Top-Führungsjobs in Betrieben mit 50 und mehr Beschäftigen liegt bei rund 17 Prozent - nur etwa jeder Sechste ist dort also weiblich. Wird hier die zweite Führungsebene mit eingerechnet, erreicht der Anteil rund 23 Prozent.

Ohne Selbstverpflichtung droht eine EU-weite Quote

Von der Leyen und Reding legten ihrem Brief auch eine Selbstverpflichtung bei - mit der dringenden Bitte, dass möglichst viele Unternehmen und Dax-Konzerne diese unterschreiben. Für den Fall dass die Industrie nicht freiwillig handelt, droht die Vizechefin der EU-Kommission Reding mit der Einführung einer EU-weiten Quote.

"Im März 2012 wird die Europäische Kommission evaluieren, ob eine hinreichende Zahl von Unternehmen diese Selbstverpflichtung unterzeichnet hat oder ob EU-Rechtsvorschriften auf den Weg gebracht werden müssen", heißt es im Brief. Es müsse sich abzeichnen, dass eine Quote von rund 30 Prozent in den nächsten Jahren machbar sei. "Die großen Unternehmen dürfen da durchaus ehrgeiziger sein", sagte Andreas Zimmermann vom Deutschen Führungskräfteverbands ULA am Mittwoch. Es bestehe kein Zweifel daran, dass diese Unternehmen mehr Frauen bräuchten - auch angesichts des Fachkräftemangels.

"Das Problem ist immer die Familienphase"

Bei den kleineren Betrieben mit weniger als 50 Mitarbeitern ist immerhin schon jede dritte Führungskraft weiblich (35 Prozent), so die Statistiker des Bundesamts. Elke Holst, Forschungsdirektorin für Gender Studies am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW), führt dies auf die kürzeren Wege bis zur Chefetage zurück: "In kleineren Unternehmen gibt es weniger Hierarchieebenen, Frauen müssen daher nicht so viele Karrierestufen überspringen." Außerdem machten sich viele Frauen, die in großen Betrieben nicht weiterkämen, selbstständig oder wechselten zu kleineren Firmen, wo der Aufstieg nicht so schwer sei.

Die Erhebung zeigt auch, dass bei jüngeren Führungskräften der Frauenanteil deutlich höher ist als bei älteren. Für DIW-Expertin Holst heißt das jedoch nicht unbedingt, dass diese Anteile mit dem Alter aufrücken: "Das Problem ist immer die Familienphase. Hier sind die Risiken für Frauen aus einer Führungsposition auszusteigen oder gar nicht erst hineinzukommen besonders groß."

Genau hier sieht auch der Deutsche Führungskräfteverband ULA eines der Hauptprobleme. Neben der besseren Vereinbarkeit von Beruf und Familie fordert der Verband objektiviere Kriterien bei der Auswahl von Führungskräften. "Wenn die Entscheidung über Beförderungen aus dem Bauch heraus getroffen werden, gibt es eine Tendenz dazu, dass der Ausgewählte dem Betroffenen ähnlich ist", sagt ULA-Experte Zimmermann. Für den Verband sind flexible Frauenquoten "im Bereich des Vorstellbaren". Der Bundesverband der Deutschen Industrie hatte indes erst am Dienstag in einer Mitteilung erklärt: "Eine gesetzliche Einheitsquote - ob national oder europäisch - ist überflüssig und wird vom BDI abgelehnt."

Der BDI betont aber auch, bis auf wenige begründete Ausnahmen setzten sich die DAX-30-Unternehmen selbst "branchen- und unternehmensangepasste Ziele" in punkto Frauen in Führungspositionen. Der Frauenanteil auf der Kapitalseite der DAX30-Aufsichtsräte habe sich von 4,8 Prozent vor zwei Jahren auf nun 10,9 Prozent mehr als verdoppelt. Mit insgesamt 15,4 Prozent Frauenanteil in den Gesamtaufsichtsräten der DAX30-Unternehmen liege Deutschland deutlich über dem europäischen Durchschnitt von 11 Prozent.

Gesetzliche Frauenquote innerhalb der Bundesregierung umstritten

Auch innerhalb der Bundesregierung ist eine gesetzliche Frauenquote bei den Chefposten großer Unternehmen umstritten. Bundesfrauenministerin Kristina Schröder (CDU) lehnt eine starre Quote ab und hat sich mehrfach gegen eine Einmischung der EU ausgesprochen. Sie pocht auf nationale Lösungen. Der Vorstoß der Ministerin von der Leyen hat in Schröders Ministerium bereits für Irritation gesorgt.

Bislang kommt die Gleichberechtigung von Frauen in den Chefetagen der Konzerne nur schlecht voran. Nach Angaben der Kommission sind derzeit nur 12 Prozent der Aufsichtsräte in Europa weiblich. In Deutschland liegt der Anteil bei 13 Prozent. "Aus unserer Sicht ist dies nicht nur gesellschaftspolitisch, sondern vor allem aus ökonomischer Sicht zu bedauern", schreiben von der Leyen und Reding. Studien belegten, dass Unternehmen mit mehr Frauen in den Führungsetagen tatsächlich auch bessere Geschäftsergebnisse erzielten. Ein Umdenken liege daher im Interesse der Firmen.

dpa