Glaube per App: Fromme Anwendungen fürs Handy

Glaube per App: Fromme Anwendungen fürs Handy
Ein Handy nur zum Telefonieren? Das war gestern. Mit Hilfe von Miniprogrammen, sogenannten Apps, kann man heute auf seinem Smartphone so ziemlich alles machen: Klavier spielen, ein virtuelles Bier schlürfen - oder seinen spirituellen Durst stillen. Neben seriösen Anwendungen findet sich auch theologisch Zweifelhaftes und jede Menge Kitsch.
06.06.2011
Von Judith Kubitscheck

Wer sich schon frühmorgens beim ersten Weckerklingeln spirituell einstimmen möchte, liegt mit dem "Lord Jesus Widget" eines Softwareunternehmens richtig: Glocken läuten, eine schmalzige Frauenstimme singt das englische Vaterunser. Süßliche "Herz-Jesu-Bilder" samt Bibelversen wandern über den Handy-Bildschirm.

"Erzähle Gott, wie du dich heute fühlst" heißt es in der Anleitung der ebenfalls kommerziellen "I Talk to God"-App. Der Betende wählt aus 70 verschiedenen Emotionen (stolz, zweifelnd, besorgt, traurig? ) die passende Stimmung aus, teilt seine Gefühlslage mit, und erhält nach einem weiteren Klick eine direkte Antwort in Form eines Bibelverses.

Beicht-App: Die perfekte Hilfe für reuige Sünder

Für Furore hat die Beicht-App gesorgt, abgesegnet von der katholischen Bischofskonferenz der USA: "Die perfekte Hilfe für jeden reuigen Sünder" heißt es in der Beschreibung. Mit ihr erforscht der Bußwillige sein Gewissen anhand eines Fragekatalogs, der sich an den zehn Geboten orientiert. Als "Sünde" gilt hier auch das Tragen unzüchtiger Kleidung, Masturbation, und künstliche Geburtenkontrolle. Anschließend werden Bußgebete vorgeschlagen. Der digitale Beichtstuhl samt "App"-Solution ersetze jedoch nicht den Gang zum Beichtvater, betont der Vatikan.

Die religiöse App "Me so Holy" ist von der Firma Apple sogar verboten worden, aus Angst, religiöse Gefühle zu verletzen: In ihr kann man sich selbst zum Heiligen machen, indem man eine Heiligenfigur und Religion aussucht und ein Foto von sich einfügt.

Wer den Bildschirmhintergrund seines Handys sakral gestalten möchte, kann das mit animierten neonfarbenen Kreuzen tun, die dem Betrachter entgegen schwirren, oder einem "Gott liebt Dich"- Button. Nur einen Fingerstreich entfernt ist das "Christliche Dating Café", in dem unverheiratete Gläubige mit christlichen Singles chatten können.

Christliche Kinder unterhalten - mit dem Mobiltelefon der nächsten Generation kein Problem: Die "Bibel-Comic"-App einer spanischen Firma erzählt Kindern die wichtigsten Gleichnisse Jesu. Ein Memory-Spiel, bei dem Tierpärchen für Noahs Arche gesucht werden, ist auch schon etwas für Kinderkirchgänger.

Und auch das gibt es: Die fromme Karaoke-App, mit Liedern wie "Amazing Grace". Wer statt christlichen Hymnen und geistlichem Hip-Hop lieber eine feurige Predigt hören will, kann sich das US-amerikanische charismatisch geprägte "Holy Ghost Radio" installieren.

Mit einem Bibelvers in den Tag starten

Internationale Unterstützung beim Beten gibt es mit dem Programm "Prayers to share". Der Betende teilt sein Gebetsanliegen dem sozialen Gebetsnetzwerk mit und darf auf Mitbeter hoffen.

Doch warum nur Menschen beten lassen? Bei der kommerziellen Anwendung "ePrayer" sind angeblich sogar Handys in der Lage, virtuelle Gebete in Richtung Himmel zu schicken: Der Handybesitzer muss nur einen Heiligen als Fürsprecher und den Zweck seines Gebetes aussuchen und schon wandert der Gebetstext - wahlweise ein Vaterunser oder "Ave Maria" beliebig oft über den Bildschirm.

Andere Anwendungen sind bodenständiger: Katholische Christen finden unter iMissal katholische Gebete, biblische Tageslesungen, den Heiligenkalender. Selbst klösterliche Exerzitien á la Ignatius von Loyola sind vom Wohnzimmer aus möglich.

Auch deutsche kirchliche Einrichtungen bieten Apps an. Alle Smartphone-Besitzer etwa, die gerne mit einem Bibelvers in den Tag starten wollen, können sich die App "Herrnhuter Losungen" herunterladen. Die täglichen Bibelworte werden seit 1731 von der evangelischen Herrnhuter Brüdergemeine herausgegeben.

Die Bibel im Handyformat

In zahlreichen Sprachen und Übersetzungen gibt es das Buch der Bücher im benutzerfreundlichen Handy-Format. Die Deutsche Bibelgesellschaft Stuttgart bietet beispielsweise die Lutherbibel samt Bibelleseplan als App an. Für die Jüngeren gibt es die "Volxbibel" der "Jesus Freaks", eine Bibelübertragung in Jugendsprache.

Nicht jedem Smartphone-Besitzer sagt das spirituelle "all-inclusive"-Angebot zu. Das Programm "Portable Atheist" bietet Zitate von Atheisten sowie Argumente gegen die Existenz Gottes an, um "Debatten mit Christen zu gewinnen". Doch auch Christen können sich mit einer speziellen App für eine Glaubensdebatte rüsten: Der "Bible Versinator" findet Bibelverse, die die eigene Meinung untermauern.

Und wem die Kirche für die Hosentasche auf Dauer dann doch zu unpersönlich ist, kann sich den ökumenischen Gottesdienstfinder der "Vernetzten Kirche" aufs Handy laden, seinen Standort eingeben - und sofort zeigt die Google-Maps-Karte, wo es in die nächste Kirche geht. Real, nicht virtuell.

epd