Shaukat Mahmoud ist auf dem Weg zum Freitagsgebet in der Roten Moschee in Islamabad. Eigentlich misstraut der Pakistaner westlichen Reportern und will nicht sprechen, doch dann gewinnt sein Hass auf Amerika die Oberhand. "Die Diffamierung der Muslime in der Welt zwingt die Menschen dazu, das (Schnellfeuergewehr) AK 47 in die Hände zu nehmen", bricht es aus dem 37-Jährigen heraus. "Die USA schaffen eine Lage, in der Muslime gezwungen sind, Gewalt gegen sie zu gebrauchen."
Mit einem Blitzbesuch in Islamabad wollte US-Außenministerin Hillary Clinton am Freitag das schwer beschädigte Verhältnis zu Pakistan reparieren. Clinton bescheinigte der Regierung, diese habe nicht gewusst, dass Al-Kaida-Chef Osama bin Laden jahrelang mitten im Land gelebt habe. Sie appellierte an die Pakistaner, den Terrorismus gemeinsam zu bekämpfen. Und Clinton sagte: "Pakistan sollte verstehen, dass Anti-Amerikanismus und Verschwörungstheorien nicht dazu führen werden, dass die Probleme verschwinden."
Die meisten Pakistaner sehen in den USA einen Feind
Der Amerikahass in Pakistan hat nach der eigenmächtigen US-Operation zur Tötung Bin Ladens Anfang des Monats ein bislang nicht gekanntes Ausmaß erreicht. Doch geschwelt hat er schon zuvor. Befeuert wird er durch die andauernden US-Drohnenangriffe im Grenzgebiet zu Afghanistan. Verheerend war zudem der Fall des CIA-Agenten Raymond Davis, der Ende Januar zwei Pakistaner auf offener Straße erschoss - und der nach einer mysteriösen Zahlung von Blutgeld an die Angehörigen der Opfer plötzlich ausreisen durfte.
Nach dem Einsatz gegen Bin Laden sagte in einer Umfrage des Senders Geo TV nur noch ein Prozent der Pakistaner, die Verbindungen zwischen Pakistan und den USA seien eng. Die allermeisten nannten Amerika einen Rivalen oder Feind.
"Sie (die Amerikaner) müssten Pakistan als Frontstaat im Krieg gegen den Terrorismus behandeln, stattdessen greifen sie Pakistan an", sagt der Oberhaus-Abgeordnete der mächtigen islamistischen Jamaat-e-Islami, Professor Kurshid Ahmed. Er warnt Washington: "Strapazieren Sie unsere Geduld nicht über Gebühr." Wenn die Afghanen bewaffneten Widerstand gegen die Amerikaner leisten könnten, dann könne Pakistan das erst recht. Sein Land müsse sich schrittweise aus dem Krieg gegen den Terrorismus zurückziehen.
Clinton dreht die Stimmung im Volk nicht
Diese Meinung teilen nicht nur Islamisten. Pakistan werde "kontinuierlich betrogen", sagt der frühere Chef des Geheimdienstes Intelligence Bureau (IB), General i.R. Imtiaz Ahmed. "Die Wahrnehmung tief in den Köpfen ist, dass dieser Krieg gegen den Terrorismus nur dem Interesse Amerikas dient, während das pakistanische Volk den Preis bezahlt." Der Amerika-Hass sei auf einem "Allzeithoch". Der Bildungsexperte Ahmad Salim meint, der Hass wachse Tag für Tag - und sei nicht immer rational. "Wenn Sie mit einer Frau auf dem Markt sprechen, dann wird sie Obama für die gestiegenen Gemüsepreise verantwortlich machen."
Islamabad ist nach Ansicht von Experten auf die Milliardenhilfen der USA angewiesen. Doch auch diese Meinung teilen nur noch wenige Pakistaner. Nach jüngsten Regierungsschätzungen hat der Krieg gegen den Terrorismus - also das Bündnis mit den USA - seit Ende 2001 volkswirtschaftliche Schäden in Höhe von 68 Milliarden Dollar für Pakistan verursacht, berichteten einheimische Medien. Die US-Unterstützung habe sich seitdem auf 15 bis 17 Milliarden Dollar belaufen. Mit der Finanzhilfe, so die Verschwörungstheorie, wolle Washington Pakistan in wirtschaftlicher Abhängigkeit halten.
Clinton mag es gelungen sein, Regierung und Armee der Atommacht mit ihrem Besuch zu besänftigen. Die Stimmung im Volk aber wird sie nicht gedreht haben. Der Wirtschaftsstudent Mohammad Siddique von der renommierten Quaid-e-Azam-Universität in Islamabad sagt, seine Regierung sei ohnehin von Washington gekauft, und die USA seien die Wurzel allen Übels. "Ich glaube, dass die Amerikaner Pakistan zerstören und die muslimische Welt kontrollieren wollen", meint der 22-Jährige. "Ich hasse Amerika."