ARD: Was Hänschen nicht guckt, guckt Hans nimmermehr

ARD: Was Hänschen nicht guckt, guckt Hans nimmermehr
Florian Silbereisen, Andy Borg und Carmen Nebel müssen jetzt ganz tapfer sein: Volksmusik im Fernsehen ist vom Aussterben bedroht, schon in absehbarer Zukunft dürften im "Musikantenstadl" und den anderen Tempeln der Schunkelfreude die Lichter für immer ausgehen. Das behauptet zumindest eine neue Studie zur Fernsehnutzung, die jetzt in der Fachzeitschrift "Media Perspektiven" veröffentlicht worden ist.
23.05.2011
Von Martin Weber

Unter der schönen Überschrift "Das Fernsehprogramm – ein Freund fürs Leben?" setzen sich die Autoren der Studie mit der spannenden Frage auseinander, wie sich die Fernsehgewohnheiten von Zuschauern mit zunehmendem Alter ändern – oder eben nicht. Die Ergebnisse der Untersuchung prophezeien nicht nur der von ARD und ZDF übertragenen Volksmusik, sondern dem öffentlich-rechtlichen Fernsehen insgesamt eine schwierige Zukunft – denn viele junge Zuschauer, die um das Erste, das Zweite und die dritten Programme heute einen weiten Bogen machen, werden diese Sender auch nicht einschalten, wenn sie dereinst graue Haare haben.

Ein schockierender Befund für ARD und ZDF, zumal an der Erstellung der Studie nicht etwa feindliche Privatsender beteiligt waren, sondern unter anderem die Abteilung Medienforschung des Westdeutschen Rundfunks (WDR).

Dass es junge Leute nicht so mit ARD und ZDF haben, ist für die Dinos unter den Sendern schon lange ein Problem und wird in derselben Ausgabe von "Media Perspektiven" an anderer Stelle (Studie "Tendenzen im Zuschauerverhalten") mit Zahlen und Statistiken untermauert. So führten die öffentlich-rechtlichen Sender im vergangenen Jahr beim jungen Publikum nur noch ein Schattendasein: Die Marktanteile des Ersten lagen bei den Zuschauern im werberelevanten Alter zwischen 14 und 49 bei schlappen 7,3 Prozent, das Zweite brachte es sogar nur auf 6,7 Prozent.

Öffentlich-Rechtliche Marktführer bei der Generation 50+

Damit reihten sich die mit Gebührenmilliarden gemästeten ARD und ZDF brav unter kleine private Programmveranstalter wie Vox (7,7 Prozent), Kabel eins (6,2 Prozent) oder RTL2 (6,0 Prozent) – und lagen weit abgeschlagen hinter den beim jüngeren Publikum wesentlich beliebteren Privatsendern RTL (18,1 Prozent), Pro Sieben (11,6 Prozent) und Sat.1 (10,7 Prozent). Bei Zuschauern jenseits der 50 sieht es freilich ganz anders aus, bei ihnen finden die Öffentlich-Rechtlichen noch trostreichen Ausgleich, dort sind sie unangefochtene Marktführer: Die Marktanteile von ARD und ZDF lagen 2010 bei den Zuschauern ab 50 um jeweils 18 Prozent, die Dritten Programme gesamt brachten es 2010 gar auf satte 19,2 Prozent.

Wo aber liegt für die öffentlich-rechtlichen Sender dann das Problem, schließlich sind die jungen Zuschauer von heute die alten von morgen? Das Problem, so lehrt es die Studie "Das Fernsehprogramm – ein Freund fürs Leben?", liegt darin, dass die TV-Vorlieben vieler Menschen im jungen Alter geprägt werden und sich später nicht mehr ändern. Es sei "nicht davon auszugehen, dass die jüngeren, verstärkt mit den privaten Angeboten sozialisierten Zuschauer quasi automatisch wieder zu den öffentlich-rechtlichen Programmen kommen, wenn sie älter werden", lautet das Fazit der Untersuchung, für die Medienexperten die Fernsehgewohnheiten aller Altersgruppen in den vergangenen knapp 20 Jahren genau unter die Lupe genommen haben.

Nur weil man älter wird, guckt man nicht auf einmal Volksmusik

Was Hänschen nicht guckt, guckt Hans nimmermehr – und das bedeutet für ein Genre wie das der Volksmusik, das praktisch nur bei den heutigen Rentnern ankommt, langfristig das Aus: "Ein Alterseffekt in dem Sinne, dass die Zuschauer verstärkt Volksmusiksendungen einschalten, wenn sie älter werden, ist dagegen nicht festzustellen", lautet das für ARD und ZDF deprimierende Fazit der Studie.
Für Volksmusik-Stars wie Florian Silbereisen könnte es also ganz eng werden, den ein oder anderen Silberstreif am Horizont gibt es für ARD und ZDF jedoch auch: Bei bestimmten Sendungen wie etwa der quotenstarken ARD-Krimireihe "Tatort" sind gegen den vorherrschenden Trend keine Einbrüche zu befürchten, im Gegenteil.

"Für den 'Tatort' ergibt sich der Befund, dass die Nutzung im Altersverlauf ansteigt, etwa ab dem 40. Lebensjahr schalten die Zuschauer verstärkt den 'Tatort' ein", heißt es in der Studie. Gute Nachricht also für Kommissare wie die von Maria Furtwängler gespielte Charlotte Lindholm oder das von Jan Josef Liefers und Axel Prahl verkörperte Münsteraner Duo Boerne und Thiel: "Tatort"-Ermittler haben immer Konjunktur.


Martin Weber ist freier Medien- und Fernsehjournalist in Berlin.