Bradley Manning im Knast: Niemand weiß, wie es ihm geht

Bradley Manning im Knast: Niemand weiß, wie es ihm geht
Der mutmaßliche Wikileaks-Whistleblower Bradley Manning saß fast ein Jahr lang in folterähnlicher Isolationshaft. Ende April wurde er verlegt. Unter besseren Haftbedingungen wartet er nun auf seinen Prozess.
20.05.2011
Von Max Böhnel

Der 23-jährige Nachrichtenanalyst und US-Soldat soll die Enthüllungs-Plattform Wikileaks mit als geheim eingestuften Informationen versorgt haben, darunter mit dem Video "Collateral Murder". Es zeigt, wie Angehörige der US-Armee 2007 in Bagdad von Kampfhubschraubern aus unschuldige Zivilisten und Journalisten umbringen und dabei feixen. Weiterhin wird ihm vorgeworfen, Zehntausende von weiteren Dokumenten zu den Kriegen im Irak, in Afghanistan und zu den Guantanamo-Insassen weitergegeben zu haben. Wird Bradley Manning der "Kollaboration mit dem Feind" für schuldig befunden, droht ihm die Todesstrafe. 

Einen Monat nach seiner Verlegung in die Militärstrafanstalt in Fort Leavenworth im Bundesstaat Kansas ist von keiner Seite zu erfahren, ob es dem US-Obergefreiten in dem neuen Gefängnis psychisch besser geht. Denn Bradley Mannings engster Vertrauter David House, der ihn davor im Hochsicherheitstrakt von Quantico im Virginia besuchen durfte, ist ohne Erklärung von der Besucherliste gestrichen worden. Weshalb und von wem ist nicht bekannt. Dabei hatte House in den bangen Monaten der harten Haft gegenüber den Medien und Unterstützern als eine Art Sprachrohr seines Freundes fungiert.

Anwalt: neuer Knast ist besser

Die Möglichkeit, Informationen über Bradley Manning (Foto links: dpa) zu erhalten, beschränkt sich deshalb auf seinen Anwalt David Coombs, der verständlicherweise nur nach außen dringen lässt, was sich von der Gegenseite, dem Pentagon und der US-Regierung, politisch und juristisch nicht gegen seinen Mandanten verwenden lässt. Auf jeden Fall seien die Haftbedingungen im neuen Knast sehr viel besser, bestätigte Coombs.

Manning wird nicht mehr in einem Hochsicherheitstrakt isoliert, sondern ist in einem Trakt für Untersuchungshäftlinge untergebracht. Er kann tagsüber Mitgefangene treffen, darf sich in der Cafeteria und im Gemeinschaftsraum frei bewegen, Sport treiben oder die Anstaltsbibilothek besuchen. Seine Zelle hat sogar Fenster nach draußen, wie ausgewählte Journalisten nach einer Besichtigungstour der "Joint Regional Corrections Facility" bestätigten.

Über ein Jahr lang war Bradley Manning in Quantico Bedingungen ausgesetzt, die innerhalb der USA wie auch international zunehmend als verfassungswidrig und erniedrigend beschrieben wurden: 23 Stunden täglich in einer winzigen Zelle ohne natürliches Licht, keine persönlichen Gegenstände, Schlafentzug, Einnahme von Antidepressiva, nachts keine Kleider, ständige Kontrolle durch die Wärter.

Folter-Beauftragter und "Amnesty" griffen ein

Als Grund nannte das Militär die angebliche Suizidgefahr. David House, der Manning im März zum letzten Mal besucht hatte, beschrieb den Gemütszustand seines Freundes nach mehreren Begegnungen als "verängstigt" und "krank". Dabei hatte ein Anstaltspsychiater seit dem Sommer 2010 mehrfach gefordert, Manning auf eine niedrigere Sicherheitsstufe zu setzen. Er sei in Wirklichkeit nicht suizidgefährdet.

Doch erst als der UNO-Beauftragte für Folter und Amnesty International die Obama-Regierung öffentlich kritisierten, kam langsam Bewegung in die Causa Manning. US-Politiker und der Filmemacher Michael Moore schalteten sich ein, und bei Demonstrationen übten sich andere Whistleblower zugunsten von Bradley Manning in zivilem Ungehorsam. Alles in allem eine Peinlichkeit für die US-Regierung, die sich gern als Verteidigerin von Menschenrechten weltweit ins Scheinwerferlicht stellt.

Dass die Verlegung des wichtigsten politischen Gefangenen der USA auf eine Entscheidung von hoher Stelle zurückgehen muss, zeigte sich nicht nur daran, dass Mannings Verteidiger David Coombs davon aus der Presse erfuhr. Auf der entsprechenden Pressekonferenz des Militärs hatten die dafür zuständigen PR-Beamten abgestritten, die Verlegung habe etwas mit Protesten zu tun. Die Haftbedingungen in Quantico seien rechtmässig und angemessen gewesen. Die Verlegung nach Kansas erleichtere das Prozedere. Ein Termin für eine erste Anhörung vor Gericht steht noch nicht offiziell fest. Unterstützergruppen gehen aber davon aus, dass es schon in wenigen Wochen dazu kommen könnte.


Max Böhnel arbeitet als freier Journalist in New York.