Millionen für die Freiheit: Strauss-Kahns Megakaution

Millionen für die Freiheit: Strauss-Kahns Megakaution
Nach drei Tagen Gefängnisinsel bekommt Dominique Strauss-Kahn seine Freiheit wieder. Aber zu einem beispiellosen Preis und nur bis zu einem Urteil: Gegen den Franzosen ist offiziell Anklage wegen eines Vergewaltigungsversuchs erhoben worden. Die Grand Jury hat mittlerweile alle Anklagepunkte gegen Strauss-Kahn bestätigt.
20.05.2011
Von Gisela Ostwald und Chris Melzer

Dominique Strauss-Kahn kommt vorerst frei, aber nach Barack Obama könnte der Ex-Chef des Internationalen Währungsfonds der am besten bewachte Mann der USA sein: Ständig mindestens ein bewaffneter Wächter, Kameras in der ganzen Wohnung, jeder Schritt protokolliert - und zusätzlich eine beispiellose Kaution im Gesamtwert von sechs Millionen Dollar. Bis zu einem Urteil kommt der Franzose frei, aber einen Prozess wird es geben. Denn fast gleichzeitig zu der Kautionsentscheidung verkündete eine Grand Jury, dass der 62-Jährige wegen versuchter Vergewaltigung angeklagt wird.

Anklage erhoben

Als der Franzose vorgefahren wurde, war er noch Häftling. Bislang bestand sein Leben aus teuren Restaurants, edlen Hotels, Limousinen aus deutscher Produktion und Erste-Klasse-Sesseln in Flugzeugen. Aus einem solchen in einer Air-France-Maschine wurde er am Samstag festgenommen, weil er zuvor in seiner 3.000-Dollar-Suite ein Zimmermädchen angegriffen haben soll. Er habe ihr Anal- und Oralsex aufzwingen wollen, sagte die 32-Jährige am Mittwoch vor der Grand Jury aus, die 24 Stunden später die Anklage beschloss.

Seitdem ist für die Frau und auch für "DSK" nichts mehr, wie es war. Sie hält sich mit Hilfe der Polizei versteckt, er kam in eine Einzelzelle auf Rikers Island, einer Gefängnisinsel im New Yorker East River, zusammen mit 14.000 anderen Häftlingen - Untersuchungsgefangene, aber auch Mörder, Räuber, Schläger. Statt im edlen Anzug steckte der Franzose in einem Blaumann aus Spezialstoff, der sich nicht in Streifen reißen lässt. So soll verhindert werden, dass ein lebensmüder Häftling sich eine Schlinge knotet und aufhängt. Standardprozedur auf Rikers Island.

Abgabe der Pässe, eine Million Kaution und fünf Millionen Garantie

Der Flur vor dem Verhandlungssaal im 13. Stock war schon Stunden vor der Anhörung voll. Vor allem Französisch war immer wieder zu hören, schließlich sollte "DSK" im nächsten Jahr für die Sozialisten Präsident Frankreichs werden. Als seine Frau erscheint, wird sie von einer Tochter aus einer früheren Ehe Strauss-Kahns gestützt. Sie sieht gezeichnet aus und trägt über dem grauen Etuikleid einen schwarzen Blazer, auch die Tochter kommt in schwarz. Strauss-Kahn trägt dunkles Grau über dem offenem Hemd, lächelt kurz und setzt sich.

Der Streit zwischen Staatsanwaltschaft und Verteidigung ist bitter, doch letztlich gewährt der Richter Freiheit - zu einem beispiellos hohen Preis. Strauss-Kahn muss nicht nur seine beiden Reisepässe abgeben und die angebotene Million Dollar (700.000 Euro) in bar hinterlegen. Der Richter will weitere fünf Millionen als Garantie, für die Strauss-Kahn als Sicherheit seine Häuser anbieten kann.

Bewaffnete Sicherheitsbegleitung

Doch sein Leben wird auch in Freiheit nicht frei sein. Eine Sicherheitsfirma wird beauftragt, den Franzosen ständig zu begleiten - bewaffnet. Die Männer sollen jeden Schritt, jeden Besucher, jede Bewegung protokollieren. In der Wohnung, die seine Frau angemietet hat und in der beide wohnen sollen, dokumentieren Überwachungskameras jede Sekunde. Immerhin: Der Bonvivant kann in teuren Betten schlafen und edles Essen bestellen.

Eine Siegesparty war dem Franzosen aber nicht vergönnt. Denn nach der Entscheidung musste er erst einmal wieder in seine Einzelzelle auf der Gefängnisinsel zurück. Die geht erst auf, wenn die Million da ist. Dann kann Strauss-Kahn die teure Freiheit genießen.

Grand Jury bestätigt alle Anklagepunkte gegen Strauss-Kahn

Bei der Anklageerhebung gegen Dominique Strauss-Kahn hat die Grand Jury in New York alle von der Staatsanwaltschaft genannten Vorwürfe angenommen. Dem früheren Chef des Internationalen Währungsfonds werden damit sechs Straftaten zur Last gelegt. Weil er bei der schwersten - "sexuelle Belästigung in einem besonders schweren Fall" - gleich zweimal angeklagt ist, sieht er sich sieben Punkten gegenüber.

Laut Anklageschrift soll Strauss-Kahn am Samstag die Tür seines Hotelzimmers zugeschlagen haben, als ein Zimmermädchen zum Aufräumen eingetreten war. "Er griff dem Opfer ohne Einwilligung an die Brust, versuchte, die Strumpfhose herunterzuziehen und griff ihm in den Schritt. Sein Penis hatte gewaltsam zweimal Kontakt mit dem Mund des Opfers."

Wegen dieses zweimaligen Kontakts wirft die Staatsanwaltschaft dem 62-Jährigen die doppelte "sexuelle Belästigung ersten Grades" vor. Dafür allein drohen jeweils 25 Jahre Haft. Hinzu kommt "versuchte Vergewaltigung ersten Grades", dafür könnten 15 Jahre verhängt werden. "Sexueller Missbrauch" steht zweimal in der Anklage, das wird ersten Grades mit sieben Jahren, dritten Grades mit drei Monaten Haft geahndet. Die Schließung der Tür, um die Frau am Weglaufen zu hindern, wird zudem als Freiheitsberaubung gewertet. Dafür drohen Strauss-Kahn ein Jahr Gefängnis, ebenso wie für "unsittliches Berühren", der sechste Anklagepunkt.

dpa