Vom Scherbenhaufen immer wieder in ein neues Leben

Vom Scherbenhaufen immer wieder in ein neues Leben
Glas kann bis zu 40 Mal wiederverwertet werden und ist für Getränke viel beliebter als Kunststoff. Doch im Streit um seine Umwelteigenschaften sind die Hersteller in der Defensive.
18.05.2011
Von Friederike Lübke

Es beginnt mit großen Scherbenhaufen. Auf dem Glasrecycling-Hof in Neuburg in der Nähe von Ingolstadt türmen sich die Glasscherben meterhoch in farbigen Bergen. Grüne Weinflaschen, weiße Marmeladengläser: alles was im Altglascontainer gelandet ist, startet hier zusammen mit unbrauchbar gewordenen Mehrwegflaschen in ein zweites Leben.

Im Inneren der Werkshallen kommt eben eine Parade rotglühender Gläser neu aus der Maschine. Es scheppert und rappelt es wie auf einer Großbaustelle, der Schmelzofen treibt die Temperatur in tropische Höhen. Glas besteht hauptsächlich aus Quarzsand, Soda und Kalkstein. Ist ein Glasbehälter nicht mehr verwendbar, kann er eingeschmolzen und zur Herstellung neuer Gläser benutzt werden. "Glas kann man beliebig oft zu 100 Prozent wieder recyceln", sagt der Vorstandsvorsitzender des Glasunternehmens Saint-Gobain Oberland, Stefan Jaenecke.

Marktanteil rückläufig

Die Deutsche Umwelthilfe wirbt deshalb für das Material. Die ökologischen Vorteile sollten es dem Käufer wert sein, nicht immer nur zum Plastik-Sechser vom Discounter zu greifen. "Jeder Verbraucher kann mit dem täglichen Einkauf den Umwelt- und Klimaschutz unterstützen", heißt es.

Bei Getränkeflaschen geht der Trend zum Glas trotzdem zurück. Die aktuellste Studie zum Getränkemarkt, die das Umweltbundesamt in Auftrag gab, ist aus dem Jahr 2009 und zeigt, dass der Anteil von Glas-Mehrwegflaschen zwischen 2004 und 2007 von 48,4 auf 35,8 Prozent zurückging.

Dabei kann eine Mehrwegflasche aus Glas laut Bundesministerium für Umwelt bis zu 40 Mal wieder befüllt werden. Damit liegt sie vor der Mehrwegflasche aus Kunststoff, die sich zwar ebenfalls recyceln lässt, es aber durchschnittlich nur auf 15 Umläufe bringt. Allerdings wird für den Transport des schwereren Glases auch mehr Energie verbraucht. Der Naturschutzbund Deutschland etwa rät deshalb, lieber zu PET-Mehrwegflaschen zu greifen.

Plastik ist billiger, aber weniger beliebt

Für die Qualität des Inhalts aber bietet Glas nach Überzeugung vieler regionaler Getränkehersteller deutliche Pluspunkte. Als Behälter ist es geschmacksneutral und aromadicht, und das gibt für manchen den Ausschlag.

"Wir haben so gutes Wasser hier, den Geschmack wollen wir in Glasflaschen erhalten", sagt Andreas Sausel. Er steht in Burgheim, 16 Kilometer entfernt von Neuburg, neben einer der Quellen, aus der das familieneigene Unternehmen Wasser für ihre Getränkeherstellung pumpt. Als Urenkel eines Limonadenmachers will er, wie die drei Generationen vor ihm, nicht vom Glas lassen. Obwohl Plastikflaschen für sein Unternehmen preislich günstiger wären, wie er sagt.

"Die Qualität die wir haben, könnten wir in Plastikflaschen gar nicht anbieten", sagt Sausel. Im Glas bleibe der Geschmack immer gleich. "Und jeder weiß doch, wie es aus der Plastikflasche schmeckt, die im Auto lange in der Sonne lag." Auch auf Zusatzstoffe könne er nur verzichten, weil er die Glasflaschen erhitzen und die Limonade damit haltbar machen könne. Mit Plastik gehe das nicht, statt dessen müsste er Konservierungsmittel hinzufügen.

"Keine Alternativen"

Während er durch seine Firma führt, taucht Sausel geschickt unter den Förderbändern durch, auf denen die Getränkeflaschen klirren. Rund 30.000 Flaschen verlassen sein Werk pro Stunde. "Von Marktleitern hören wir oft: Plastik haben wir schon genug im Laden", sagt Andreas Sausel. Weil Glas aber immer auch ein Verletzungsrisiko birgt, ist es in Schulen und Kindergärten häufig verboten. "Wenn Glas irgendwann nicht mehr gefragt ist, müssen auch wir umstellen", erklärt Sausel.

Für Gerhard Illgenfritz wäre das ein Albtraum. "Zu Glas gibt es für uns keine Alternativen", sagt der Geschäftsführer von Landwehr-Bräu bei Rothenburg ob der Tauber. Für viele Bier-Brauereien kommt eine Plastikflasche nicht infrage. Und auch für viele Biertrinker wohl nicht.

Auf die Ökobilanz muss das nicht unbedingt schlagen. "Bier ist ein regionales Produkt. Das Paulaner in Hamburg ist die Ausnahme", sagt Roland Demleitner, Geschäftsführer des Verbandes Private Brauereien Deutschland. Und kürzere Vertriebswege vermindern bei Mehrwegprodukten wie schweren Glasflaschen dann auch die Umweltbelastung. 

epd