Filmkritik der Woche: "Pirates of the Caribbean"

Filmkritik der Woche: "Pirates of the Caribbean"
Hart am Windbeutel: Im vierten Teil der erfolgreichen Freibeutersaga "Pirates of the Caribbean" begibt sich Jack Sparrow auf die Suche nach dem Jungbrunnen.
18.05.2011
Von Frank Schnelle

Erst einmal sieht es gar nicht gut aus für den berühmtesten Piraten der Filmgeschichte. Eben hat er noch als angeblicher Richter einen vollbesetzten Verhandlungssaal genarrt, dann haben ihn Soldaten schon in eine Falle gelockt. Nun sitzt er an einen Stuhl gekettet vor dem englischen König und muss sogar mit der Todesstrafe rechnen. Oder, schlimmer noch, mit dem Angebot, der Krone zu dienen.

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Doch Jack Sparrow denkt weder an Flucht noch an Widerstand oder Kooperation. Er träumt von dem Windbeutel, den er vor dem Verhör von der üppig gedeckten Tafel geklaut und mit einem Fußtritt zum Kronleuchter hinaufbefördert hat. Wenn Sparrow einige Wort- und Säbelgefechte später an einer gigantischen Vorhangkordel durch den Raum schwingt, dann nicht bloß zur Flucht. Er will vor allem an das Gebäckstück gelangen und es genüsslich verspeisen.

Wie ein Kurzfilm mutet die Szene an, wie eine abgeschlossene Einheit, die auch für sich stehen und bestehen könnte. Im Grunde reiht "Pirates of the Caribbean - Fremde Gezeiten" ausschließlich solche Miniaturen aneinander. Stets geht es darum, wie einer irgendwo rein- oder rauskommt, wie eine Probe be- oder eine Bedrohung überstanden wird. Das große Ganze - die Suche nach dem geheimnisvollen Quell ewiger Jugend - gerät dabei immer wieder in Vergessenheit und ist am Ende kaum mehr von besonderem Interesse.

Der Spaß kommt vielmehr aus den Schlangenlinien, die alle Beteiligten auf dem Weg zu ihrer ominösen Bestimmung vollführen - und aus den ständig wechselnden Allianzen und Zerwürfnissen zwischen Sparrow (Johnny Depp), seiner undurchsichtigen Ex Angelica (Penélope Cruz), dem finsteren Blackbeard (Ian MacShane) und dem nun unter britischer Flagge segelnden Barbossa (Geoffrey Rush). Das Ziel sei doch gar nicht so wichtig, erklärt Sparrow seinen verblüfften Mitstreitern am Ende, auf den Weg komme es an. Aber auch das ist, wie alles hier, ein Joke, irgendwie ironisch, irgendwie albern, irgendwie nett, irgendwie blöd.

Dabei hätte es diese Fortsetzung der "Pirates of the Caribbean"-Reihe eigentlich gar nicht geben sollen - wenn die Ausführungen Jerry Bruckheimers rund um die Produktion des dritten Teils stimmen. Der Erfolg ließ dem Disney-Konzern damals jedoch keine andere Wahl, als das Franchise in eine weitere Runde zu schicken. Mit neuem Regisseur (Rob Marshall), anderen Stars - nur Depp und Rush sind noch an Bord -, der unvermeidlichen Umstellung auf 3D und der Entscheidung, fortan in sich geschlossene Plots zu erzählen.

Süß und verführerisch wie ein Windbeutel

Das alles weist auf einen grundlegenden Neubeginn hin, gleichzeitig wurde der Produktion ein gewaltiger Sparkurs verordnet, der dem Film anzusehen ist. Es wird jetzt öfter auf Dialogwitz gesetzt als auf aufwändige Spezialeffekte, und auch die Schlachtengemälde geraten weniger opulent als früher: Einmal begegnen sich Spanier und Briten auf hoher See, und während die Engländer unverzüglich in Stellung gehen, werden sie von den Iberern schlichtweg ignoriert. Die haben es so eilig, als erste den Jungbrunnen zu erreichen, dass sie den standesgemäßen Schlagabtausch einfach ausfallen lassen, sehr zur Freude der Herstellungsleitung.

Da die Kanonen schweigen, ist diesmal Hans Zimmers Musik fürs Gedonner zuständig. Sie überhöht jede, aber auch jede Entwicklung aufs Penetranteste, als wolle sie die Emotionen ins Unermessliche steigern. Das verleiht dem Film ohne Not etwas Angestrengtes, Verkrampftes, wo er durchaus auf seinen Humor vertrauen könnte. Johnny Depps 55 Millionen Dollar teures Freibeuter-Unikat (übrigens mehr als ein Viertel des Budgets) agiert nämlich durchaus lust- und espritvoll und liefert genau die Art von Unterhaltung, die seine Fans von ihm erwarten: süß und luftig, üppig und verführerisch, nicht besonders nahrhaft, aber auch nicht weiter schädlich. Wie ein Windbeutel eben.

USA 2011. R: Rob Marshall. B: Ted Elliot, Terry Rossio. Mit: Johnny Depp, Penélope Cruz, Geoffrey Rush, Ian McShane, Gemma Ward, Judi Dench, Keith Richards. L: 141 Min. FSK: ab 12, ff.

epd