Katholische Laien sind für mehr Ökumene

Katholische Laien sind für mehr Ökumene
Katholische Laien sind nicht länger bereit, auf Erlaubnisse "von oben" zu warten. Sie wollen jetzt eine Ökumene, die zur Lebenswelt der Menschen passt. Das wurde auf der Frühjahrsvollversammlung des Zentralkomitees der deutschen Katholiken am 13. und 14. Mai in Erfurt deutlich. Aus evangelischer Perspektive sind die Ergebnisse nachvollziehbar und unterstützenswert.
17.05.2011
Von K. Rüdiger Durth

"Wir brauchen Fortschritte in der Ökumene", ruft der Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), Alois Glück, den über 200 Mitgliedern der Frühjahrsvollversammlung 2011 des höchsten katholischen Laiengremiums in Erfurt zu. In jener Stadt, die eng mit dem Studenten, Mönch und Reformator Martin Luther verbunden ist und in der sich Papst Benedikt XVI. im September mit dem Vorsitzenden des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Präses Nikolaus Schneider, treffen wird.

Der Aufruf von Alois Glück bleibt nicht ungehört, und nach einer leidenschaftlichen und ausführlichen Diskussion verabschiedet die Frühjahrsvollversammlung das Papier "Um der Menschen willen. Plädoyer für eine lebensnahe Ökumene." Ein Papier, das deutlich macht, dass die katholischen Laien immer weniger bereit sind, auf "offizielle ökumenische Ergebnisse" zu warten. Denn ihre Gemeinde- und gelebten Glaubenserfahrungen sind andere, wie es in dem verabschiedeten Papier heißt.

Aufruf an die Bischöfe: Mehr entscheiden!

Streckenweise fragt sich der evangelische Beobachter, ob er sich auf der Erfurter Vollversammlung der katholischen Laien oder auf einer evangelischen Kirchensynode befindet. Diskussion und Beschluss zeigen, wie nahe sich die Christen beider Kirchen bereits sind, die "mit zunehmender Frustration und Unwillen erleben, wie die Jahrzehnte dahingehen". Und so soll das Ökumene-Papier mit seinen zahlreichen Forderungen auch ein Bestandteil des Dialogprozesses werden, den der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Robert Zollitsch, im vergangenen Herbst angestoßen hat.

Das wird nicht ohne Auseinandersetzungen zumindest mit einem Teil der 27 deutschen Diözesanbischöfe bleiben, der dem höchsten Laiengremium seit langem skeptisch gegenübersteht. ZdK-Vizepräsidentin Claudia Lücking-Michel findet, dass sich die Bischöfe die Sache zu leicht machen, wenn sie auch ökumenische Forderungen immer mit dem Hinweis auf die römische Zuständigkeit von sich weisen: "Die Bischöfe können selbst mehr entscheiden – wenn sie nur wollen."

Ehepaare wollen gemeinsam zur Kommunion

Die Forderungen der katholischen Laien kommen Protestanten bekannt vor und finden selbstverständlich sofort volle Unterstützung: Mehr gemeinsame Wortgottesdienste auch an Sonntagen ohne Zeitvorgaben (im Klartext also auch am Vormittag, was bislang nur ausnahmsweise möglich ist), Predigtaustausch zwischen evangelischen und katholischen Pfarrern. Außerdem verbindliche Regeln für die Zulassung konfessionsverschiedener Ehepaare zur Kommunion (was in der evangelischen Kirche selbstverständlich ist, weil aus ihrer Sicht nicht die Kirche zum Abendmahl einlädt, sondern Jesus Christus selbst).

Der Pfingstmontag soll als Tag der Einheit der Kirche gemeinsam gefeiert werden, und im September soll der "Tag der Schöpfung" ebenfalls ökumenisch begangen werden. Ferner fordert das ZdK die gegenseitige Anerkennung des Patenamtes in allen Mitgliedskirchen der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen (ACK).

So bekannt die Forderungen aus evangelischer Sicht auch sind, so bedenkenswert sind die Begründungen des höchsten katholischen Laiengremiums für eine "Ökumene der Zukunft". Auch hier gibt es keine wesentlichen Unterschiede zur evangelischen Kirche, zumal längst auch viele katholische Christen (und Priester) bei ökumenischen Veranstaltungen gemeinsam mit den evangelischen Christen das Abendmahl feiern - nur nicht öffentlich. Das ZdK macht in seiner Erklärung deutlich, dass viele katholische Christen bewusst als mündige Christen in ökumenischer Eintracht leben – wenn es sein muss, auch im Widerspruch zu den offiziellen Regelungen.

Katholische Kirche soll sich mit Luther befassen

Nach Überzeugung des höchsten katholischen Laiengremiums darf eine "Ökumene der Zukunft" weder fragen, wer Recht hat, noch wer gewinnt. Schon gar nicht dürfe sie mit Machtfragen verquickt werden, denn zur Wahrheit bekenne sich der Mensch in Freiheit. Auch könne die ökumenische Suche nach dem wahren Kirchesein "nicht mit einer fertigen Antworten beginnen". Vielmehr müsse darum gerungen werden, aus der überlieferten Wahrheit zu neuen Einsichten zu kommen, "um unsere gemeinsame Zukunft im Auftrag des Herrn zu gestalten." Und so laute die eigentliche Frage: "Was ist nötig um der Menschen willen? Wo brauchen sie in den Nöten unserer Zeit die frohe Botschaft des Evangeliums?"

Im Blick auf das 500jährige Jubiläum der Reformation 2017 fordert das ZdK ferner von der katholischen Kirche "die ernsthafte und ehrliche Neubewertung der Reformation und der Person Martin Luthers mutig fortzuführen." Aber auch hier zeigt sich bereits ein Unterschied zum für die Ökumene in der Deutschen Bischofskonferenz zuständigen Regensburger Diözesanbischof Gebhard Müller, der sich vor allem mit der Person Luthers auseinandersetzen will, da dieser große Theologe ja nicht die Kirchenspaltung gewollt habe. Übrigens: ZdK-Präsident Alois Glück macht in Erfurt keinen Hehl daraus, dass er nach Berlin 2003 und München 2010 für einen 3. Ökumenischen Kirchentag ist.

Das ZdK-Papier über die Ökumene der Zukunft hat es verdient, in der evangelischen Kirche ausführlich diskutiert zu werden. Vor allem aber verdient es ihre volle Unterstützung.


K. Rüdiger Durth ist freier Autor und langjähriger Beobachter des politischen und kirchlichen Geschehens.