"Dresden", 10. Mai, 20.15 Uhr, 3sat
"Unser Film ist ein Film geworden gegen den Krieg, für eine größere Mitmenschlichkeit – verbunden mit dem großen Wunsch nach Frieden." Das sind große Worte und eine Bürde, die fast schon zu bedeutsam ist für eine Fernsehproduktion. Und doch hat die Hoffnung des Produzenten Nico Hofmann ihre Berechtigung, selbst wenn die Dramaturgie vordergründig eher schlicht ist.
Vor dem Hintergrund eines geschichtsträchtigen Ereignisses muss sich eine Frau zwischen zwei Männern entscheiden: Auf diesen einfachen Nenner ließen sich vor einigen Jahren gleich mehrere Event-Produktionen bringen, mit denen teamWorx für unbestrittenen Höhepunkte des deutschen Fernsehen gesorgt hat. Imponierte "Die Sturmflut" durch ein unvergleichliches Star-Aufgebot, atemberaubende Effekte und eine enorme Spannung, so ist "Dresden" im wahrsten Sinne des Wortes ein Fanal, das man so rasch nicht vergessen wird. Manche Bilder brennen sich dem Gedächtnis regelrecht ein: die Frau, die einen in Flammen stehenden Kinderwagen hinter sich herzieht; die Körper, die zu Asche zerfallen, sobald sie berührt werden.
Das dramatische Gegenteil von Wohlfühlfernsehen
Zunächst aber orientiert sich der Film am Melodram. Im Grunde genommen erzählt Autor Stefan Kolditz eine 10 Millionen Euro teure Liebesgeschichte: Krankenschwester Anna (Felicitas Woll) ist hin- und hergerissen zwischen einem abgeschossenen englischen Bomberpiloten (John Light), der sich verletzt im Keller ihres Krankenhauses versteckt, und ihrem Verlobten, dem vergleichsweise kühlen Assistenzarzt (Benjamin Sadler). Ihr Weltbild bricht zusammen, als Robert entdeckt, dass Annas Vater Carl Mauth (Heiner Lauterbach), der Chef der Klinik, das dringend benötigte Morphium im Keller hortet, um sich damit den Weg in die Schweiz zu erkaufen.
Wie in Filmen dieser Art üblich werden individuelle Schicksale immer wieder mit der großen Katastrophe verknüpft. Der Krieg bildet zwar zunächst nur den Hintergrund für das Melodram, doch er ist natürlich permanent präsent. Der Film ist in seinem Realismus ohnehin von mitunter gnadenloser Grausamkeit. Eine konsequente Farbdramaturgie erstickt außerdem jede Form von Wohlfühlfernsehen im Keim: Bis auf wenige Ausnahmen hat Kameramann Holly Fink die Bilder regelrecht entsättigt, so dass sie streckenweise fast schwarzweiß wirken.
Spätestens der zweite Teil (morgen Abend um 20.15 Uhr) entzieht sich jeder Beschreibung. Regisseur Roland Suso Richter sind Szenen von unerhörter Dramatik gelungen. Dreißig Minuten lang zeigt er praktisch ohne Dialog, wie sich Anna und die beiden Männer ihren Weg durch den Feuersturm bahnen, von einem Keller in den nächsten stolpern, verschüttet werden, beinahe ersticken und sich irgendwie immer wieder aufrappeln. Und so ist "Dresden" spätestens gegen Ende, wenn Anna und Robert erschüttert betrachten, was der Feuersturm von der Stadt übrig gelassen hat, ein flammendes Plädoyer gegen den Krieg.
Der Autor unserer TV-Tipps, Tilmann P. Gangloff, setzt sich seit über 20 Jahren als freiberuflicher Medienkritiker unter anderem für "epd medien" und verschiedene Tageszeitungen mit dem Fernsehen auseinander. Gangloff (geb. 1959) ist Diplom-Journalist, Rheinländer, Vater von drei Kindern und lebt am Bodensee. Er gehört seit Beginn der 1990er Jahre regelmäßig der Jury für den Adolf-Grimme-Preis an und ist ständiges Mitglied der Jury Kinderprogramme beim Robert-Geisendörfer-Preis, dem Medienpreis der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD).