Großbritannien stimmt über Wahlrecht ab

Großbritannien stimmt über Wahlrecht ab
Die Briten stimmen heute über ihr Wahlsystem ab. Und könnten eines bekommen, das ihnen in Zukunft häufiger Koalitionen statt Ein-Partei-Regierungen bringt. Doch das scheint wenig verlockend. Denn die derzeitige Koalition zerhackt sich gegenseitig kräftig.
05.05.2011
Von Britta Gürke

"You say Yes - I say No", sangen die Beatles in ihrem berühmten Song "Hello, Goodbye". Deutlich weniger melodisch klingt das "Ja" und "Nein" derzeit durch die Reihen der britischen Regierungskoalition. Im Endspurt um die Reform des Wahlsystems werfen sich die Konservativen und ihre Partner von den Liberaldemokraten die Anschuldigungen nur so um die Ohren. Auf den Straßen polarisieren Bürgerinitiativen mit Kampagnen. Die Volksabstimmung über die Art und Weise, wie die Briten künftig wählen, könnte zum Schicksalsschlag für die Koalition werden.

Konservative und Liberale im Streit

Wenn bei der Abstimmung an diesem Donnerstag die Mehrheit der Briten für das sogenannte "Alternative Vote"-System stimmen sollte, dann würden Mehr-Parteien-Regierungen im Königreich deutlich wahrscheinlicher als bisher. Den Gegnern der Reform kommt dabei zugute: Wer will schon für mehr Koalition wählen, wenn sich die derzeitige die Augen aushackt? Seit Wochen wird deutlich, wie weit die eigentlichen Partner in ihren Grundsätzen auseinandergehen, etwa bei Studiengebühren, den harten sozialen Einschnitten auf der Insel oder in der Medienpolitik.

Vor allem die Liberaldemokraten und ihr Chef, Vize-Premier Nick Clegg, kommen dabei gar nicht gut weg. Sie hatten schon ihr Versprechen, die Erhöhung von Studiengebühren zu verhindern, brechen müssen. Die Wahlrechtsreform war eines ihrer zentralen Wahlkampfthemen gewesen. Sollte sie nicht durchkommen, könnte die Unterstützung für die Partei weiter sinken. Premierminister David Cameron und seine Partei stünden derweil gut da. Sie wollen, das alles bleibt, wie es ist.

Der Zoff kommt bei den Wählern nicht gut an. Koalitionsregierungen ist man in Großbritannien ohnehin nicht gewohnt. Als sich im Mai 2010 nach der Parlamentswahl die konservativen Tories mit den «Lib Dems» zusammenschließen mussten, um überhaupt eine Regierung bilden zu können, war es die erste Koalition seit dem Zweiten Weltkrieg.

Kleine Parteien bisher im Nachteil

Das liegt vor allem am Mehrheitswahlsystem. Derzeit wird der Kandidat, der in seinem Wahlkreis die meisten Stimmen bekommt, nach London geschickt. Alle anderen Stimmen verfallen. Parteilisten wie bei der deutschen Zweitstimme gibt es nicht. Das ist vor allem für kleine Parteien bitter, deren Kandidaten nur wenig Chancen haben, jemals eine Mehrheit einzufahren.

Das neue System würde für einen Ausgleich und eine gleichmäßige Verteilung aller Stimmen sorgen, erscheint vielen Wählern aber viel zu kompliziert. Bei dem neuen System vergibt der Wähler unter allen Kandidaten eine Rangfolge. Wenn nicht ein Kandidat von vorneherein mehr als 50 Prozent Platz-Eins-Kreuze hat, wird in mehreren Zählschritten derjenige mit der meisten Unterstützung ermittelt.

Derzeit sieht es so aus, als ob die taditionsliebenden Briten sich dafür entscheiden, einfach alles beim Alten zu lassen. Eine Umfrage für die Zeitung "Mail on Sunday" ergab am Wochenende, dass 51 Prozent gegen die Reform sind und nur 33 Prozent dafür. Gegner und Befürworter fürchten allerdings, dass die Wahlbeteiligung gering sein könnte. Allerdings werden parallel zur Volksabstimmung neue Regionalparlamente in Schottland und Wales gewählt, außerdem finden lokale Wahlen statt.

Umfragen: Alles bleibt beim alten

Premier Cameron beteuert, dass weder ein Ja noch ein Nein die Regierung zerbrechen werde. Die Koalition sei weiterhin «geschlossen und stark». Man werde zusammen die wichtigen Themen wie das Haushaltsdefizit, die Terrorbedrohung oder die Reform des Öffentlichen Dienstes meistern. Sein Vize Clegg hingegen kündigte an, dass für die Liberaldemokraten nach der Abstimmung am Donnerstag eine neue Phase beginne. Danach werde es beiden Parteien möglich sein, ihre unterschiedlichen Sichtweisen offener zum Ausdruck zu bringen. Bei den «Lib Dems» stehe dann ein "unabhängigerer Ansatz" an.

dpa