"Tod am Engelstein", 2. Mai, 20.15 Uhr im Zweiten
Wenn Frauen ihre Heimat früh im Zorn verlassen haben und nun nach langer Zeit zurückkehren, sind zwei Entwicklungen unvermeidlich: erst begegnen sie ihrer Jugendliebe, dann werden alte Rechnungen beglichen. Je nach Schwerpunkt stellt sich dann bloß noch die Frage, ob sich die Handlung als Krimi oder als Romanze entwickelt. Bei "Tod am Engelstein" nimmt der Titel das Genre vorweg, aber auch die ersten Thriller-Bildern legen nahe, dass dieser Film weder romantisch noch komisch sein wird; warum das allerdings auch gut so ist, wird erst am Ende deutlich.
Zunächst scheint Autor Daniel Douglas Wissmann eine typische Frauengeschichte zu erzählen: Die junge Literaturagentin Lara Brunn (Stefanie Stappenbeck) fährt anlässlich des Geburtstags ihrer Mutter in ihr Heimatdorf in den bayerischen Alpen. Der Vater hat die Familie verlassen, als sie noch ein kleines Kind war. Doch Maren Brunn ist spurlos verschwunden. Ihr Auto steht auf einem Parkplatz, von dem ein Wanderweg zum Gipfel des Engelstein führt. Dort findet ein Suchtrupp nicht nur ihre Leiche, sondern auch noch eine zweite; dieser Tote lag allerdings schon ein halbes Leben dort. Als Lara die Halbseligkeiten ihrer Mutter durchsieht, findet sie Antworten auf Fragen, die zu stellen sie seit ihrer Kindheit verdrängt hat. Und sie kommt zu der Überzeugung, dass ihre Mutter ermordet worden ist.
Kombination aus Krimi und Familiendrama
Vor allem die Kombination aus Krimi und Familiendrama ist Wissmann ungemein gut gelungen. Anfangs überlagert eine alte Rivalität zwischen Lara und ihrer älteren Schwester (Nina Kronjäger) alles andere, so dass man die raffiniert eingestreuten Details beinahe übersieht: das Wiedersehen mit Jugendschwarm Vincent (Max von Pufendorf) zum Beispiel; oder das mehr als reservierte Aufeinandertreffen mit seinem Vater Guido (verkörpert vom kürzlich bei einem Unfall verstorbenen Dietmar Mues in einer seiner letzten Rollen). Wer genau hinschaut, findet sogar vor Lara heraus, um wen es sich bei der toten männlichen Leiche handelt.
Dank der Inszenierung durch die krimiversierte Christiane Balthasar wechselt der Film sein Genrevorzeichen allerdings kaum merklich, auch wenn es immer wieder irritierende Momente gibt; etwa die Begegnungen mit dem etwas zurückgebliebenen Jungen, dessen Leitspruch "Ich mag es, wenn es Gott gefällt" in gewisser Weise zum Motto der Geschichte wird. Balthasar gibt dem Film zudem immer wieder ein reizvolles Gesicht; selbst simplen Autofahrten gewinnt sie ungewohnte Einstellungen ab. Hannes Hubachs Kamera ist ohnehin angenehm agil, ohne je in Hektik zu verfallen.
Treffend besetzt sind auch die Rollen. Stefanie Stappenbeck verkörpert die junge Heldin mit einer fröhlichen Frische, die dennoch einen mehr spür- als sichtbaren Trauerflor trägt. Michael Fitz und Roeland Wiesnekker spielen wichtige Nebenrollen. Auch den Berg, am Ende Schauplatz der dramatischen Aufklärung, spielt ein anderer, wenn auch aus rein praktischen Erwägungen: Das Finale wurde am Kitzbühler Horn gedreht.
Der Autor unserer TV-Tipps, Tilmann P. Gangloff, setzt sich seit über 20 Jahren als freiberuflicher Medienkritiker unter anderem für "epd medien" und verschiedene Tageszeitungen mit dem Fernsehen auseinander. Gangloff (geb. 1959) ist Diplom-Journalist, Rheinländer, Vater von drei Kindern und lebt am Bodensee. Er gehört seit Beginn der 1990er Jahre regelmäßig der Jury für den Adolf-Grimme-Preis an und ist ständiges Mitglied der Jury Kinderprogramme beim Robert-Geisendörfer-Preis, dem Medienpreis der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD).