"Die geerbte Familie", 29. April, 21 Uhr im Ersten
Die Geschichte klingt nach typischem Freitagsrührstück: Als sie seinen Bauernhof besucht, stellt sie fest, dass sie außerdem keineswegs Einzelkind war. Plötzlich hat sie nicht bloß zwei kleine Geschwister, sondern muss sich angesichts der drohenden Heimeinweisung der beiden kleinen Kinder entscheiden: Karriere oder Familie.
Dank Hauptdarstellerin Denise Zich und der unsentimentalen Inszenierung durch Christine Kabisch schont "Die geerbte Familie" die Tränendrüsen. Wenn die junge Journalistin durch die rheinhessische Landschaft stöckelt, bekommt die Geschichte (Markus Mayer sowie Maja und Wolfgang Brandstetter) sogar komische Züge. Erwartbar ist hingegen die Sympathieverteilung der Kinder: Der kleine Junge akzeptiert sie rasch als Mutterersatz, seine ältere Schwester gibt dem neuen Familienmitglied erst mal keine Chance. Ebenfalls eher skeptisch verhält sich der Verwalter des Landguts, aber da er von Hendrik Duryn als klassischer romantischer Held verkörpert wird, sind die anfänglichen Verbalscharmützel zwischen Isabelle und Daniel bereits Teil einer Beziehungsanbahnung. Bis es soweit ist, vergeht allerdings der komplette Film. Vorher muss sie, so will es die Dame vom Jugendamt, die Kinder mit in ihre vornehme Frankfurter Wohnung nehmen. Dort sind sie nicht bloß völlig deplaziert, sie treffen auch auf einen Lebensgefährten ihrer großen Schwester, in dessen Plänen außer Isabelle keine weiteren Menschen vorgesehen sind. Ihre Chefin Norma (Eleonore Weisgerber) erwartet von ihrer Redaktionsleiterin ohnehin "Einsatz bis zur Selbstaufgabe" für das Hochglanzmagazin.
Für Denise Zich ist die schlagfertige, selbstbewusste Großstädterin, die über Nacht den Boden unter den Füßen verliert, eine Rolle, die sie ausgezeichnet ausfüllt. Dass sich Eleonore Weisgerber als Chefredakteurin unübersehbar an Meryl Streeps ganz ähnlich angelegter Figur in "Der Teufel trägt Prada" orientieren musste, stört weniger als ihre mitunter wichtigtuerisch klingenden Dialoge, wenn von "Commercials" (eigentlich Werbespots im Fernsehen) oder einer "Editor’s-Konferenz" die Rede ist. Zum Ausgleich darf Norma am Ende zeigen, dass auch sie ein Herz hat. Ein Wiedersehen gibt es außerdem mit Günther Schramm als Isabelles Großvater.
Der Autor unserer TV-Tipps, Tilmann P. Gangloff, setzt sich seit über 20 Jahren als freiberuflicher Medienkritiker unter anderem für "epd medien" und verschiedene Tageszeitungen mit dem Fernsehen auseinander. Gangloff (geb. 1959) ist Diplom-Journalist, Rheinländer, Vater von drei Kindern und lebt am Bodensee. Er gehört seit Beginn der 1990er Jahre regelmäßig der Jury für den Adolf-Grimme-Preis an und ist ständiges Mitglied der Jury Kinderprogramme beim Robert-Geisendörfer-Preis, dem Medienpreis der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD).