Modell Tunesien - Hoffnung auf Touristen und Wüstenstrom

Modell Tunesien - Hoffnung auf Touristen und Wüstenstrom
Zum Jahreswechsel hoffte Deutschland mit den meist jungen Tunesiern, die genug von politischer Unterdrückung hatten. Tunesien gelang als erstem nordafrikanischen Land der Sturz der autoritären Führung. Doch der Übergang zur Demokratie ist schwer - mehr Touristen könnten helfen.
28.04.2011
Von Basil Wegener

Tunesien kann zum demokratischen Vorzeigestaat in Nordafrika werden - oder es kann beim Übergang zur Demokratie stolpern. Mehr als drei Monate nach dem Sturz von Diktator Zine el Abidine Ben Ali arbeitet das Mittelmeerland fieberhaft auf die für den 24. Juli geplante freie Wahl hin. Doch ob Tunesien zu einem Modell für den gesamten arabischen Raum wird, entscheidet sich auch am Problem mangelnder Jobs für die vielen jungen Tunesier. Der darbenden Tourismusbranche könnte auch eine Rückkehr der deutschen Urlauber in das Mittelmeerland helfen.

70 zur Wahl zugelassene Parteien

"Es kann keine Demokratie geben, wenn es keinen Wirtschaftsaufschwung gibt", sagt Abdelkader Zitouni. Demokratie, Menschenrechte und Arbeit - das sind in den Augen des Chefs der tunesischen Grünen die Erwartungen der Bevölkerung an den Übergang. Noch ist die Revolution nicht vollendet.

Der Weg zu Zitouni führt durch die lebhaften, oft von hupenden Autos verstopften Straßen von Tunis voller Teestuben, Cafés und Läden - und endet erstmal vor einer schmucklosen Holztür. Die deutsche Grünen-Vorsitzende Claudia Roth hat sich angesagt. Doch auf ihr Klopfen reagiert niemand. Dann springt die Tür auf und Zitouni lädt in ein staubiges kleines Büro mit vergilbten Aktenordnern. Der tunesischen Schwesterpartei von Roths Grünen fehlt es sichtlich an Geld - nicht aber am Elan.

"Unter Ben Ali waren wir eine kleine, unterdrückte Gruppe von 50 Leuten", sagt Zitouni. Jetzt will die auf 800 Mitglieder angewachsene Partei als eine von rund 70 bei der unter Hochdruck vorbereiteten Wahl im Juli antreten. "Die Fortschritte der Revolution dürfen nicht gefährdet werden", mahnt Zitouni.

25.000 tunesische Migranten

Es sind Wahlen unter erschwerten Bedingungen. Die wenigsten der Parteien sind in der Bevölkerung tief verankert. Die Regeln sind noch Gegenstand komplizierter Aushandlungen einer überparteilichen Kommission. Auf den Listen müssen zur Hälfte Frauen stehen, so weit ist man schon, auch dürfen keine Amtsträger der Ben-Ali-Partei RCD dabei sein.

Doch der Schritt zu einem erfolgreichen Tunesien ist mit gelingenden Wahlen allein nicht getan. So sollen Korruption und Verstrickungen der Machtelite unter Ben Ali aufgearbeitet und die Wirtschaft gestärkt werden. Hunderttausende in dem Elf-Millionen-Einwohner-Land sind ohne Job. Die Mittelschicht in Tunis ist vergleichsweise klein, im Landesinneren ist die Armut groß.

Zugleich ließ Tunesien viele zehntausend Libyer, die vor dem Krieg in ihrer Heimat fliehen, über die Grenze. Allein in den vergangenen Tagen kamen 3000 vorwiegend über den Grenzübergang Dhahiba. Die EU streitet derweil heftig über den Umgang mit rund 25.000 tunesischen Migranten, die in ihrem Land derzeit wenig Perspektive sehen.

Die ersten Urlauber kommen zurück

Doch ist der Aufbruch an vielen Stellen spürbar. Fast jede Elternversammlung an der Schule verwandelt sich binnen einer Stunde in eine Grundsatzdebatte über die politische Zukunft, wie ein Vater in Tunis erzählt. Auch großindustrielle Zukunftshoffnungen gibt es - etwa auf ein gigantisches Desertec-Solarkraftwerk ähnlich wie es unter marokkanischer Wüstensonne auch für die europäische Stromversorgung geplant ist. "Bis Ende 2012 wollen wir es auf den Weg bringen", sagt der Koordinator, der ehemalige Tunesien-Chef von Siemens, René Buchler. Bis dahin sollten wichtige Vorarbeiten abgeschlossen sein.

An die sicheren Traumstrände von Djerba, Sousse oder Monastir kommen erste Urlauber zurück, doch es sind noch vergleichsweise wenige. Alleine von Tunesiens Tourismus hängen rund 800.000 Stellen ab. Früher kam etwa eine halbe Million deutscher Urlauber im Jahr. Claudia Roth - einem Hang zu Massentourismus sonst unverdächtig - ruft auch Bundesbürger dazu auf, wieder verstärkt herzukommen: "Die, die Urlaub machen wollen, sollten nach Tunesien kommen - das ist auch eine Form von Unterstützung." 

dpa