Paten müssen keine glaubensstarken Helden sein

Paten sollen gute Begleiter sein
Foto: iStockphoto/David Hanlon
Paten müssen keine glaubensstarken Helden sein
"Mir war direkt bewusst, dass ich das wichtig nehme", sagt Janine Grudnick. Die 27jährige ist Patentante ihres knapp vier Jahre alten Neffen Joshua. "Ich finde, wir beide haben eine besondere Beziehung!" Das kann auch Ingrid Hartung (77) über sich und ihre 43jährige Patentochter Antje Zupp sagen: "Je älter wir sind, desto stärker ist unsere Beziehung geworden." Zwei Beispiele von Patinnen, die ihre Aufgabe als lebenslange Begleitung verstehen.
27.04.2011
Von Anne Kampf

Janine Grudnick aus Neunkirchen (Nordrhein-Westfalen) sieht ihr Patenkind ungefähr einmal in der Woche. Die beiden spielen zusammen, gehen schwimmen oder beschäftigen sich mit Joshuas knapp einjährigem kleinen Bruder. Janine erinnert sich noch gut daran, wie ihre ältere Schwester sie gefragt hat, ob sie Joshuas Patin sein möchte: "Ich hab mich gefreut und sofort ja gesagt." Dabei war ihr von Anfang an klar, dass sie keine weitere Patenschaft annimmt. "Nur das eine Kind - und das ist dann was besonderes."

Wer als Patin oder Pate von den Eltern angefragt wird, sollte sich in Ruhe überlegen, was dieses Amt bedeutet - und ob man es ein Leben lang ausüben kann und will. "Paten sollten Freunde oder Verwandte sein, die die Eltern schon länger kennen, keine Urlaubsbekanntschaften", empfiehlt Oberkirchenrat Vicco von Bülow, Referent für Theologie und Kultur im Kirchenamt der Evangelischen Kirche in Deutschland. "Wenn die Eltern Freunde zu Paten ihres Kindes ernennen wollen, ist das ein Signal von den Eltern. Dann heißt das: Die Freundschaft ist uns wichtig. Man sollte sich fragen: Ist mir die Freundschaft genauso wichtig?"

Auf jeden Fall, meint von Bülow, sollten Eltern und Paten gegenseitige Erwartungen klären und überlegen, ob sie erfüllbar sind. Ein Beispiel: die Entfernung. Wohnen Patenkind und Pate 500 Kilometer voneinander entfernt, sind sicher keine wöchentlichen Besuche möglich. "Wenn man nach Prüfung der Fragen zu der Antwort kommt: 'Nein, das kann oder will ich nicht', dann sollte man es nicht tun", empfiehlt von Bülow. Das mag hart sein, vermeidet aber spätere Konflikte.

"Kann Schwester Ingrid nicht meine Patentante sein?"

Ingrid Hartung aus Recklinghausen (Nordrhein-Westfalen) wurde nicht von den Eltern gefragt, sondern von ihrer Patentochter selbst. Sie erinnert sich noch gut: Antje Zupp war damals fast vier Jahre alt und hatte "offizielle" Taufpaten, die aber selten Gelegenheit hatten, das Mädchen zu besuchen. Ingrid Hartung war zu dieser Zeit Diakonisse und über ihre Tätigkeit in der Kirchengemeinde mit Antjes Mutter befreundet. Eines Tages fragte die kleine Antje ihre Eltern: "Kann denn die Schwester Ingrid nicht meine Patentante sein?" Konnte sie - wenn auch ohne Taufe und ohne formales Versprechen in der Kirche. "Ich bin Antjes Patentante. Für uns beide ist das klar." (Foto: Dagmar Zupp)

Was bedeutet es, Patin oder Pate zu sein? "Ein Taufpate ist dazu da, stellvertretend für das Kind den Glauben zu bezeugen und den Eltern bei der christlichen Erziehung des Kindes zu helfen", so bringt Vicco von Bülow die beiden zentralen Aufgaben auf den Punkt. Paten sollten sich also fragen: Ist es mir wichtig, dass das Kind im christlichen Glauben aufwächst? "Man muss nicht der glaubensstarke Held sein, man darf Zweifel haben, aber ein bisschen eigene Überzeugung muss dabei sein", meint der Oberkirchenrat. "Es ist ja ein kirchliches Amt! Wenn jemand sagt, ich lehne die Kirche ab, dann hat der Pfarrer vor Ort das Recht zu sagen: Nein, so nicht. Denn es ist unser Markenkern, dass wir als Kirche etwas mit Religion zu tun haben."

Vorteil der Patin: "Ich musste nie erziehen"

Janine Grudnick möchte gern dazu beitragen, dass Joshua etwas vom christlichen Glauben erfährt - auch wenn er noch klein ist. "Er hat einen Gebetswürfel, damit würfeln wir ab und zu", erzählt sie. Selbst vor schwierigen Themen schrecken die beiden nicht zurück: "Joshua weiß: Der Opa ist tot, der ist im Himmel bei Gott." Ingrid Hartung führt mit ihrer Patentochter Antje Zupp, die in Köln lebt, immer wieder Gespräche über Glaubens- und Lebensthemen: "Für mich ist es immer so gewesen, dass ich einfach da bin", sagt Ingrid Hartung. Sie ist Ansprechpartnerin in normalen und besonderen Lebenslagen, zum Beispiel wenn es um Partnerschaft, Trennung oder Berufstätigkeit ging.

Dabei verstand sich Ingrid Hartung in früheren Zeiten als "Ergänzung" zum Elternhaus. Ihr Vorteil: "Ich musste nie erziehen, nie Regeln aufstellen." Das hat Freiraum eröffnet für eine Beziehung, die anders ist als die zwischen Eltern und Kindern. So ähnlich sieht es auch Janine Grudnick: Ihre Schwester in Erziehungsfragen zu beraten, das käme ihr nicht in den Sinn. "Sie ist älter und hat mehr Ahnung. Mir fällt da nichts ein zum Beraten. Sie macht das sehr gut!" Was soll Joshua über seine Patentante sagen, wenn er 14 ist und konfirmiert wird? "Dass wir uns gut verstanden haben, dass er immer zu mir kommen konnte, wenn er sich zum Beispiel zu den Eltern nicht traute."

"Wenn ich sterbe, möchte ich, dass du dich kümmerst"

Vicco von Bülow wirft einen Blick in die Kirchengeschichte. In Zeiten, in denen es viele Erwachsenentaufen gab, war das Patenamt ein Freundschaftsverhältnis unter Erwachsenen "auf Augenhöhe". Heute werden mehrheitlich Kinder getauft, oft nennen sie ihre Paten und Patinnen "Onkel" und "Tante", die Beziehung ist asymmetrisch. Dadurch haben sich die Anforderungen an Paten geändert: "Der Schwerpunkt geht weg von der christlichen Begleitung stärker hin zu der freundschaftlichen Begleitung", erläutert Vicco von Bülow. "Das geht bis dahin, dass man sagt: Wenn ich sterbe, dann möchte ich, dass du dich um mein Kind kümmerst."

Für Janine Grudnick wäre das selbstverständlich, auch wenn sie über diese schwierige Frage mit ihrer Schwester nicht gesprochen hat. "Ich würde ihn sofort aufnehmen, ohne lang zu überlegen. Egal ob ich dann selber mal drei oder vier Kinder hätte." Für Ingrid Hartung und Antje Zupp hat sich die Frage nach der Verantwortung umgedreht: Die beiden haben vereinbart, dass die Patentochter sich im Krankheitsfall um die Patentante kümmert.

Das Patenamt endet in der evangelischen Kirche mit der Religionsmündigkeit des Kindes, in der Regel mit der Konfirmation. Allerdings sei es keine Pflicht, die besondere Beziehung zu beenden, meint Oberkirchenrat Vicco von Bülow: "Gerade in der Pubertät haben Jugendliche viele Fragen, da wäre es schön, wenn sich das Patenamt auch inoffiziell weiter fortsetzt." Genauso ist es für Ingrid Hartung und ihre Patentochter Antje. Sie käme nicht auf den Gedanken, dass die Patenschaft irgendwann hätte beendet sein können. "Für mein Empfinden wächst die Beziehung immer mehr", resümiert die 77-Jährige.


Anne Kampf ist Redakteurin bei evangelisch.de und zuständig für die Ressorts Politik und Gesellschaft.