"Liebe Deinen Feind", 18. April, 20.15 Uhr im Zweiten
Die Parallelen zu einem realen Ereignis sind vermutlich pure Absicht, und plötzlich wird "Liebe Deinen Feind" zu einem völlig anderen Film: Als es beim abschließenden Prozess um die Ehre der Wehrmacht geht und ein früherer Marinerichter, der als Ankläger fungiert, unversehens selbst zum Angeklagten wird, wirkt das Drama wie ein verspäteter Nachruf auf Hans Filbinger. Der einstige baden-württembergische Ministerpräsident war als Marinerichter im "Dritten Reich" an mindestens vier Todesurteilen beteiligt; der Dramatiker Rolf Hochhuth durfte ihn laut Gerichtsbeschluss offiziell als "furchtbaren Juristen" bezeichnen. Die Ähnlichkeit zwischen dem Schauspieler Hubertus Hartmann und Filbinger dürfte gleichfalls kaum ein Zufall sein.
Das fesselnde Finale ist der Höhepunkt eines Films, der zunächst eine völlig andere Geschichte erzählt. "Liebe Deinen Feind" ist ein fast schon ironischer Titel, denn die Handlung spielt gewissermaßen im Jahre Null, im ersten Sommer nach dem Zweiten Weltkrieg. Zentrale Figur ist Sanitätshelferin Gesa (Katharina Wackernagel), eine ehemalige Medizinstudentin, die auf der nordfriesischen Halbinsel Nordstrand als Schneiderin für die britischen Besatzer arbeitet. Gesa ist zwar verlobt, aber auch höchst angetan von Captain Simon (Benjamin Sadler), einem rechtzeitig aus Deutschland geflohenen Juden.
Es kommt zum Eklat
Obwohl es streng verboten ist, trifft sich Gesa regelmäßig mit ihrem Verlobten, Friedrich (Stephan Kampwirth): Der Leutnant ist auf dem Festland interniert und schwimmt immer wieder zur Insel. Als er gegen seinen Willen den Soldaten Otto (Niklas Osterloh) mitnehmen muss, kommt es zum Eklat: Friedrich kann gerade noch verhindern, dass der junge Mann eine Freundin von Gesa vergewaltigt. Als die Gruppe von einem britischen Offizier überrascht wird, stürzt sich Otto auf ihn, ein Schuss löst sich, der Brite stirbt. Weil Otto auf der Flucht ertrinkt, steht Friedrich nun unter Mordverdacht und landet vor einem Militärtribunal der geschlagenen Wehrmacht.
Niki Stein (Buch und Regie) kombiniert mit der vielschichtigen Handlung gleich mehrere Genres. Anfangs bezieht die Geschichte ihren Reiz aus dem Zeitkolorit; die unmittelbare Nachkriegszeit ist ja eher selten Gegenstand filmischer Erzählungen. Aus dem Melodram nach dem Muster "Eine Frau zwischen zwei Männern" wird schließlich ein Justizdrama. Trotzdem ist "Liebe Deinen Nächsten" vor allem wegen der Darsteller sehenswert. Der in Kanada geborene Benjamin Sadler ist schon allein wegen seiner Zweisprachigkeit die perfekte Besetzung für den attraktiven britischen Captain, dessen Weltgewandtheit großen Eindruck auf Gesa macht; Stephan Kampwirth ist ihm ein ebenbürtiger Gegenspieler. Aber auch die weiteren Rollen (unter anderem Udo Schenk und Peter Lerchbaumer als deutsche Offiziere und Stefanie Stappenbeck als Freundin Gesas) sind sehr prägnant besetzt.
Der Autor unserer TV-Tipps, Tilmann P. Gangloff, setzt sich seit über 20 Jahren als freiberuflicher Medienkritiker unter anderem für "epd medien" und verschiedene Tageszeitungen mit dem Fernsehen auseinander. Gangloff (geb. 1959) ist Diplom-Journalist, Rheinländer, Vater von drei Kindern und lebt am Bodensee. Er gehört seit Beginn der 1990er Jahre regelmäßig der Jury für den Adolf-Grimme-Preis an und ist ständiges Mitglied der Jury Kinderprogramme beim Robert-Geisendörfer-Preis, dem Medienpreis der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD).