Lukaschenko nach dem Anschlag: "Zu viel Demokratie"

Lukaschenko nach dem Anschlag: "Zu viel Demokratie"
Der autoritäre weißrussische Staatschef verkündet, für den Bombenanschlag von Minsk sei die Opposition verantwortlich. Für Lukaschenko eine Gelegenheit, die Zügel noch fester anzuziehen. Andersdenkende sind sich sicher: Das System sucht Sündenböcke.
14.04.2011
Von Ulf Mauder und Gennadi Kesner

Von einer "glänzenden Operation" spricht der autoritäre weißrussische Staatschef Alexander Lukaschenko, als er die Aufklärung des Bombenanschlags von Minsk verkündet. "Ohne Lärm, Schüsse und Getöse" habe der Geheimdienst drei Arbeiter gefasst. Die Verdächtigen sollen am Montag im Auftrag Oppositioneller in der Metro den schwersten Bombenanschlag in der Geschichte des Landes verübt haben. Möglich sei das Blutbad mit zwölf Toten geworden, weil es "zu viel Demokratie" in der Ex-Sowjetrepublik gebe, meint Lukaschenko. Die Opposition stellt sich nun auf einen noch härteren Kurs ein.

Was ihn "besonders erfreue" sei, dass die Ermittler nicht einmal ihre "Dienstzimmer" hätten verlassen müssen, um das Verbrechen aufzuklären, sagt Lukaschenko. Und die Verdächtigen hätten gestanden - auch frühere Anschläge 2008 in Minsk und 2005 in Witebsk. Experten überraschen diese Aussagen des als "letzten Diktator Europas" kritisierten Staatschefs am Mittwoch kaum. Die Opposition wirft dem Geheimdienst KGB seit langem totalitäre Sowjetmethoden vor - einschließlich des Folterns von politischen Gefangenen.

Das System braucht Sündenböcke

Für die Andersdenkenden in Belarus ist nach der Bluttat mitten im Berufsverkehr die Befürchtung zur Gewissheit geworden: Dass das System Sündenböcke braucht. Aber Motive dafür, warum von der Opposition verblendete Arbeiter dieses Verbrechen gegen die eigenen Landsleute begangen haben sollen, nennen die Ermittler nicht. Weißrussische Beobachter nennen es "absurd", dass jemand in einem totalen Überwachungs- und Bevormundungsstaat, wo kaum jemand öffentlich Kritik wagt, nun mit Sprengstoff seine Meinung äußern soll.

Und auch westliche Diplomaten auf dem Gebiet der früheren Sowjetunion halten Lukaschenkos Version für nicht nachvollziehbar. "Das widerspricht allen Erfahrungen und vor allem dem gesunden Menschenverstand", sagt ein Entsandter, der ungenannt bleiben möchte. Klar ist nach Lukaschenkos verkündeter Aufklärung nur, dass viele Fragen und Ungereimtheiten bleiben.

Weiter halten Regierungskritiker eine Verstrickung des Machtapparates in den Anschlag für möglich - mit dem Ziel, die unzufriedene und eingeschüchterte Bevölkerung noch mehr zu verängstigen. Lukaschenko sagt, dass diejenigen, die Gerüchte über Devisen- und Lebensmittelknappheit verbreiten, bestraft werden müssten. Und er fordert die Menschen in den meist noch kommunistischen Staatsbetrieben zur Wachsamkeit auf. Immerhin seien die nun Festgenommenen zuvor niemandem aufgefallen.

Sind russische Geheimdienstkreise beteiligt?

Für die Opposition sind diese Worte Lukaschenkos nicht nur eine Einladung, dass sich Bürger - ähnlich wie einst in der DDR - gegenseitig denunzieren und vermeintliche Staatsfeinde anzeigen sollen. Lukaschenkos Gegner sehen sich vor allem in ihrer These bestätigt, dass der seit 1994 mit harter Hand regierende Staatschef von den schweren Problemen im eigenen Land ablenken will. Seit den gewaltsam niedergeschlagenen Protesten gegen Lukaschenkos Wiederwahl im Dezember sitzen Dutzende Oppositionelle im Gefängnis.

Doch über die weißrussischen Grenzen hinaus hält sich auch eine andere These - die einer möglichen Beteiligung russischer Geheimdienstkreise. Moskau könnte demnach versuchen, den auf seine friedliche, stabile und sichere Republik so stolzen Lukaschenko in die Enge zu treiben, meinen einige Beobachter. Der Kreml fordert von dem vor dem Staatsbankrott stehenden Land seit Monaten Reformen und will sich nach Einschätzung von Analysten rasch den Zugriff auf Staatsbetriebe etwa im Ölgeschäft und Maschinenbau sichern.

Dass Lukaschenko allerdings einen Verdacht gegen Russland äußert, erwartet derzeit niemand. Angesichts der EU- und US-Sanktionen gegen sein Land ist der Despot von Minsk dringend auf finanzielle Hilfe in Milliardenhöhe angewiesen - und die kommt am ehesten aus Moskau.

dpa