"Marie Brand und die Dame im Spiel", 14. April, 20.15 Uhr im Zweiten
Das Drehbuch dieses Krimis ist längst nicht so klug konstruiert wie der perfide Plan, dem Kommissarin Marie Brand am Ende auf die Schliche kommt; selbst wenn sich Autor André Georgi natürlich auch das finstere Komplott ausgedacht hat, dem zu Beginn der Geschichte eine junge Frau zum Opfer fällt. Entscheidender aber ist die Wandlung, die die Titelheldin seit ihrem ersten Fall durchgemacht hat. Eingeführt wurde Marie Brand (Mariele Millowitsch) Ende 2008 als Hochbegabte, die mit Primzahlen jongliert oder beidhändig zwei Formulare ausfüllen kann. Dank ihrer Brillanz war sie angesichts eines Tatorts im Nu in der Lage, den Tathergang komplett zu rekonstruieren. Sechs Fälle später ist die Kölnerin eine Kommissarin wie viele andere auch. Der Mann an ihrer Seite hat sich hingegen nur graduell gewandelt, so dass Jürgen Simmel mittlerweile fast die interessantere Figur ist, zumal Hinnerk Schönemann seine Rollen immer wieder mit feinen Nuancen versieht.
Der Fall allerdings ist diesmal von der Stange; man könnte sich die Geschichte auch als Serienfolge vorstellen. Andererseits verleihen die erstklassigen Darstellern ihren Rollen eine Menge Profil. Das gilt vor allem für Thomas Sarbacher und Manfred Zapatka, zumal Sarbacher praktisch nur mit den Augen spielen kann. Er verkörpert den zynischen Wladimir Stirner, ein querschnittsgelähmtes Schachgenie, dem ein Unbekannter "Gönner" ausgerechnet am Abend vor dem Duell um die Europameisterschaft ein ebenso pikantes wie demütigendes Geschenk macht, indem er ihm eine Prostituierte ins Hotelzimmer schickt. Kurz drauf beobachtet Marie Brand auf einem Autobahnparkplatz, wie jemand eine schwere Last im Gebüsch versteckt. Sie schleicht hinterher, wird aber niedergeschlagen. Die Leiche einer jungen Frau, neben der sie später erwacht, entpuppt sich als die Prostituierte, die zudem Tochter eines Bordellkönigs (Zapatka) ist. Alle Spuren führen in die Schachszene. Stirner scheidet naturgemäß als Mörder aus, kann aber selbst seinem engsten Vertrauten (Bernharde Schütz) nicht trauen.
Obwohl einige der Darsteller Ausstrahlung immer wieder mit Lautstärke verwechseln (Regie: Christoph Schnee), ist der Film gerade wegen Schönemann sehenswert. Bemerkenswert, welche komödiantische Wirkung allein ein mit dem richtigen Timing platzierter kleiner Kopfwackler haben kann. Noch besser sind seine Dialoge. "Voll Paralympics hier", kommentiert er den ersten Auftritt des Schachgenies beim Schachturnier. Gern gibt er auch das Zitat der Woche aus seinem Abreißkalender zum Besten, etwa "Gott würfelt nicht"; allerdings weiß er nicht mehr, ob es von Goethe oder Konsalik stammt. Bei anderen wäre das ein plumper Gag geworden; bei Schönemann ist es großes Schauspiel.
Der Autor unserer TV-Tipps, Tilmann P. Gangloff, setzt sich seit über 20 Jahren als freiberuflicher Medienkritiker unter anderem für "epd medien" und verschiedene Tageszeitungen mit dem Fernsehen auseinander. Gangloff (geb. 1959) ist Diplom-Journalist, Rheinländer, Vater von drei Kindern und lebt am Bodensee. Er gehört seit Beginn der 1990er Jahre regelmäßig der Jury für den Adolf-Grimme-Preis an und ist ständiges Mitglied der Jury Kinderprogramme beim Robert-Geisendörfer-Preis, dem Medienpreis der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD).