Alassane Ouattara: Weiße Weste mit blutigen Flecken

Alassane Ouattara: Weiße Weste mit blutigen Flecken
Alassane Ouattara ist fast am Ziel: Nach seinem Wahlsieg vom November und dem Sturz seines Widersachers Laurent Gbagbo wird er nun Präsident der Elfenbeinküste. Er muss ein zerrüttetes Land befrieden.
12.04.2011
Von Bettina Rühl

Im Westen gilt der 69-jährige Ökonom Ouattara vielen als politische Lichtgestalt, zumindest im Vergleich zu seinem Kontrahenten Laurent Gbagbo. Der nämlich wollte von der Macht nicht lassen, obwohl er die Präsidentschaftswahl im November gegen Ouattara verlor. Nun haben Ouattara-Truppen Gbagbo in Gewahrsam genommen, ihm soll der Prozess gemacht werden. Ouattara galt als der immer wieder Betrogene. Tatsächlich wurde er durch eine willkürliche Verfassungsänderung und anderer Tricksereien seit den 1990er Jahren mehrfach vom Präsidentenamt ferngehalten. Zuletzt also nach der Wahl im November 2010, nachdem ihn das Volk laut Wahlkommission mit 53 Prozent der Stimmen gewählt hatte.

Der Westen steht hinter ihm

Seitdem ist der Westen eindeutig auf der Seite Ouattaras, des westlich gebildeten Wirtschafts-Technokraten, der eine neoliberale Linie verfolgt und mit einer Französin verheiratet ist. Ouattara hat den Ruf, über politische Ränkespiele erhaben zu sein. Doch seine weiße Weste hat Flecken. Und das nicht erst seit dem Massaker von Douékué, einer Stadt im Westen der Elfenbeinküste. Hier wurden Ende März Hunderte Menschen getötet: Die Caritas spricht von 1.000 Toten, das Rote Kreuz von 830. Die Vereinten Nationen gehen mit vorsichtigen Schätzungen von 330 Opfern aus. Dafür sind sie bei der Frage der Verantwortung deutlicher: Für 230 der Opfer seien Ouattara-loyale Kämpfer verantwortlich, Gbagbos Milizionäre für 100.

Die Menschenrechtsorganisation "Human Rights Watch" und die UN betonen immer wieder, dass nicht nur in Douékué die Gewalt von beiden Seiten ausgeht. Ouattaras offizielle "Truppen" aus ehemaligen Rebellen müssten gar nicht immer beteiligt gewesen sein. Für ihn kämpften auch die Dozos, traditionelle Jäger aus dem Norden des Landes, der Machtbasis Ouattaras, die für ihre Grausamkeit bekannt sind.

Der Rückgriff auf diese traditionellen Kämpfer scheint nicht zu dem Elite-Ökonomen zu passen, als der Ouattara im Westen fast ausschließlich gesehen wird. Doch Ouattaras Persönlichkeit und Herkunft sind komplex. Geboren wurde er 1942 im muslimischen Norden der Elfenbeinküste, ging aber im heutigen Burkina Faso zur Schule. Deshalb, und weil sein Vater aus Burkina Faso stammte, wurde seine ivorische Staatsbürgerschaft von seinen Gegnern immer wieder angezweifelt. Ein Schachzug, um Ouattara von der Macht fernzuhalten.

Er war bereits Premierminister

Zugleich aber wurde mit diesem Argument der Boden für die heutigen Konflikte bereitet: In dem einst multi-ethnischen Land, das von ausländischen Arbeitskräften abhängig war, werden Konflikte zwischen den Ethnien und Religionsgruppen erst seit den 1990er Jahren geschürt. Gbagbo und Ouattara stehen sich seitdem gegenüber, wobei Ouattara zunächst am längeren Hebel war. Nachdem er seit 1968 bei internationalen Finanzinstitutionen Karriere gemacht hatte, war Ouattara von 1990 bis 1993 Premierminister des Landes und ein enger Vertrauter des Staatsgründers und langjährigen Autokraten Felix Houphouët-Boigny. "Der Alte" hatte die Elfenbeinküste in die Unabhängigkeit von Frankreich geführt und gilt daher, trotz seines autoritären Führungsstils, als "Vater der Nation".

Während Ouattara dessen Gnade genoss, saß der Sozialist Gbagbo monatelang im Gefängnis. Und die Wahl, die Ouattaras Ernennung zum Premier vorausgegangen war, wurde allgemein wegen massiver Fälschungen kritisiert. Nach Houphouëts Tod brachen die Rivalitäten zwischen seinen Nachfolgern aus, auch die zwischen dem Neo-Liberalen Ouattara und dem Sozialisten Gbagbo. Mit dem Hinweis auf dessen "zweifelhafte ivorische Herkunft" wurde Ouattara immer wieder vom Präsidentenamt ferngehalten. Auch Gbagbo spielte dabei eine Rolle. Und die Spannungen zwischen den Ethnien stiegen.

2002 rebellierte ein Teil der Armee im muslimischen Norden des Landes. Als "Forces Nouvelles" kämpften die Männer für Ouattara, wobei bis heute unklar ist, wie weit er selbst diesen Aufstand initiiert hat. Im September 2002 versuchten Regierungskräfte, ihn und seine Frau durch ein Attentat zu töten. Der Anschlag misslang, Ouattara floh ins Exil. Der Bürgerkrieg wurde 2007 beendet. Doch die Rechnungen zwischen den Gegnern blieben offen.

epd