Atom: Bischof Fischer über "menschlichen Größenwahn"

Atom: Bischof Fischer über "menschlichen Größenwahn"
Die Katastrophe von Fukushima hat die Atomdebatte in Deutschland neu entfacht. Alte Meiler sollen sofort vom Netz genommen oder vorerst nicht mehr hochgefahren werden, Kanzlerin Merkel hat eine Sicherheitsüberprüfung aller 17 deutschen AKWs angekündigt. Ab Montag soll ein "Rat der Weisen" neu über die Risiken der Energieversorgung in Deutschland diskutieren. In diesem Gremium sitzt auch der badische evangelische Landesbischof Ulrich Fischer.
31.03.2011
Die Fragen stellte Anne Kampf

Herr Fischer, Sie wurden als evangelischer Kirchenvertreter in den Rat der Weisen berufen. Fühlen Sie sich geehrt?

Ulrich Fischer: Vor allem fühle ich bei dieser Berufung eine große Verantwortung, denn den Ausstieg aus der Atomenergie verantwortungsvoll zu gestalten, gehört zu den wichtigsten Zukunftsaufgaben in unserer Gesellschaft. Bei der Beratung für den Weg dahin mitwirken zu können, ist in der Tat auch eine Ehre.

Was qualifiziert Sie persönlich für das Thema Atomkraft?

Fischer: Seit Anfang der 80er Jahre beschäftige ich mich intensiv mit ökologischen Fragestellungen, vor allem angeregt durch den "Konziliaren Prozess für Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung". Sowohl was die Gestaltung meines persönlichen Lebensstils wie auch ein verantwortliches ökologisches Handeln in der Kirche anbetrifft, habe ich in allen Stufen meines beruflichen Wirkens in der Kirche immer wieder versucht, Impulse zu geben, Akzente zu setzen und verantwortungsvoll zu handeln. Dabei habe ich mir auch einiges Fachwissen angeeignet.

(Foto: dpa / Stefan Puchner)

Als Protestant berufen Sie sich auf das Wort Gottes. Was finden Sie in der Bibel zum Thema "Risiken der Atomenergie"?

Fischer: In der Bibel finde ich vor allem Aussagen über die Risiken menschlichen Größenwahns und die Notwendigkeit, Grenzen zu achten. Und ich lese etwas über den Auftrag an die Menschen, die Schöpfung zu bebauen und zu bewahren. Für mich ist die Bewahrung der Schöpfung jedenfalls mit der Nutzung der Atomenergie nicht vereinbar.

Haben sich die Risiken der Atomenergie in Deutschland nach Fukushima verändert?

Fischer: Natürlich haben sich die Risiken der Atomenergie nicht verändert. Sie sind durch die Katastrophe von Fukushima jetzt nur ins allgemeine Bewusstsein gerückt.

Ihre Meinung ist bekannt: "Wir müssen so schnell wie möglich aus der Atomenergie aussteigen". Dabei haben Sie besonders auf die nicht geklärte Endlager-Frage verwiesen. Was gibt es für Sie im Rat der Weisen noch zu diskutieren?

Fischer: Nicht nur ist das Ausstiegsszenario für unsere Gesellschaft gründlich zu bedenken - gerade hinsichtlich einer Konzeption für die erweiterte Nutzung regenerativer Energien. Für besonders wichtig halte ich die Frage, wie wir in unseren Umgang mit Technik, Wissenschaft und Forschung die Generationenverträglichkeit und Nachhaltigkeit als eine Grunddimension einbeziehen können.

Die Aufgabe des Rates der Weisen lautet: "Risiken bewerten und einordnen". Wie will der Rat diese Aufgabe erfüllen?

Fischer: Ich denke, dass eine große Chance dieses Rates die Mehrdimensionalität der Betrachtungsweise ist. Es geht hier nicht vorrangig um technische Fragen, sondern um Fragen der Ethik, des Glaubens, der Sozialverträglichkeit von Technologien, der Weltverantwortung und der Schöpfungsverträglichkeit. Indem diese Dimensionen miteinander ins Gespräch gebracht werden, können die Risiken der Atomenergie sicherlich neu bewertet und eingeordnet werden.

Spielt es für Ihre Positionierung im Rat der Weisen eine Rolle, dass sich momentan viele tausend Menschen in Deutschland durch Demos und Wahlen gegen Atomkraft aussprechen? Vertreten Sie den Willen dieser Menschen?

Fischer: Die mächtigen Demonstrationen in Deutschland sprechen eine eigene Sprache. Aber ich verstehe mich nicht als Sprachrohr der Antiatomkraftbewegung, sondern ich versuche, eine aus der Bibel gewonnene ethische Position, die in der Evangelischen Kirche in Deutschland seit langem vertreten wird, in den Diskurs der Kommission einzubringen. Das ist mein Auftrag, und den möchte ich bestmöglich erfüllen.

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