Anhaltender Konflikt bedroht Libyens Welterbestätten

Anhaltender Konflikt bedroht Libyens Welterbestätten
Der bewaffnete Konflikt in Libyen bedroht die Altertümer des Landes. Es gibt dort fünf Stätten, die auf der Weltkulturerbe-Liste der Unesco stehen. Sie ruft nun dazu auf, diese Orte bei Auseinandersetzungen zu verschonen.
25.03.2011
Von Kate Thomas

Der Pfad, der zum vergessenen Äskulap-Tempel von Al Bayda führt, ist mit Steinen und Müll übersät. Schafe dösen unter Wacholderbäumen, einige Graffiti leuchten auf nahen Gebäuden. In einiger Entfernung erhebt sich das große Wohnhaus von Safija Farkash, der Frau des libyschen Machthabers Muammar al-Gaddafi, auf einem Hang.

Unesco appeliert an Libyen und Militärallianz

Der Äskulap-Tempel, eine medizinische Schule, deren Ursprünge ins Jahr 4 vor Christus zurückreichen, ist einer der kulturellen Schätze im Osten Libyens. Schon bevor die Unruhen in Libyen begannen, war er wegen mangelnder staatlicher Unterstützung der Altertümer-Behörde nicht im besten Zustand. Nun werden seine elfenbeinweißen Säulen mit den ornamentalen Darstellungen der alten Wunderdroge Silphium zudem vom Libyen-Konflikt bedroht.

Die Kulturorganisation der Vereinten Nationen (Unesco) warnt, dass die Uruhen die archäologischen Stätten des Landes gefährden könnten. Die Organisation hat sowohl an Libyen als auch an die Koalition der Länder, die die Flugverbotszone durchsetzen, appelliert, bei ihren militärischen Operationen die Kulturstätten zu verschonen. "Wir bitten die Koalitionskräfte und die libysche Regierung, mit ihren Operationen den bedeutenden kulturellen Stätten fernzubleiben", sagt Unesco-Pressesprecherin Lucia Iglesias. "Wir taten das Gleiche im Irak, als dort der Konflikt begann."

Fünf Stätten stehen auf der Weltkulturerbe-Liste

Zu Libyens reichem, selten besuchtem archäologischem Bestand zählen die Ruinen der Römerstadt Leptis Magna - eine Unesco-Welterbestätte rund 130 Kilometer östlich von Tripolis. Marktplatz, Amphitheater, Bäder und sogar die alten Toilettenanlagen sind weitgehend intakt.

Zu den fünf Orten auf der Welterbeliste zählen neben Leptis Magna der phönizische Handelsplatz Sabratha, die alte Wüstenstadt Ghadames und die griechischen und römischen Ruinen von Kyrene. Hinzu kommen die Felsenmalereien von Tadrart Acacus in der Wüstenregion nahe an der Grenze zu Algerien. Die ältesten Bilder dort sind rund 14.000 Jahre alt.

185 Kilometer östlich von Bengasi thronen die Monumente und Tempel von Kyrene auf einem steilen, eindrucksvollen Hang. Im vierten Jahrhundert vor Christus war es die bedeutendste hellenische Stadt, ein kulturelles Zentrum, das von den Zeitgenossen des Sokrates besucht wurde und in dem Aristippos von Kyrene lebte, der Begründer der kyrenaischen Philosophenschule und des Hedonismus.

Altertümer-Behörde bangt um finanzielle MIttel

Bis vor kurzem zog die Stätte Touristen in kleiner Zahl an, die die Abwesenheit von Menschenmassen genießen und die fortlaufenden Ausgrabungen beobachten wollten. Mohammed Fes, ein Fremdenführer aus Kyrene, sagte am Telefon: "Wir hofften, dass die steigende Touristenzahl mehr Mittel bedeuten würde, um die libyschen Stätten in gutem Zustand zu halten", sagt er. "Das ist nun in Gefahr."

Im Museum sind alte Büsten und Skulpturen von Mark Aurel und Jupiter weggeschlossen. Im Schatten von Kyrene windet sich eine enge Bergstraße hinunter nach Apollonia, dem früheren Hafen der alten Stadt. Marmorsäulen schimmern im Sonnenschein, und der Wind pfeift durch die Überreste früherer Kirchen, Olivenpressen und zweier Amphitheater. Reisegruppen kommen nicht mehr, und das einst lebhafte Al-Manara-Hotel, das über den alten Hafen blickt, hat seine Türen geschlossen. Der Tourismus ist ein weiteres Opfer des Konfliktes geworden.

Archäologische Grabungen, die für 2011 von Universitäten in Italien und Polen geplant waren, wurden ausgesetzt. Und der Altertümer-Behörde werden keine Mittel zufließen, solange die Unruhen andauern. "Die Unesco versucht während dieser Zeit, zu tun, was sie kann", sagt Jan Hlavik von der Unesco-Abteilung für Museen und Kultur in Paris. "Wir versuchen, das Risiko für diese und andere Stätten in Libyen zu reduzieren. Wir haben Informationen an die Staaten der Koalition geschickt und drängen sie, auf kulturelle Stätten bei ihren militärischen Planungen Rücksicht zu nehmen.

dpa