Bayreuth-Konzert ist in Israel weiter umstritten

Bayreuth-Konzert ist in Israel weiter umstritten
Das im Juli geplante erste Konzert eines israelischen Orchesters in der Wagner-Stadt Bayreuth sorgt in Israel weiter für Aufregung. Einer der Hauptkritiker spricht sich sogar für ein offizielles Verbot der umstrittenen Reise aus.
25.03.2011
Von Sara Lemel

In dem Konzertsaal in Tel Aviv herrscht babylonische Sprachverwirrung: Auf Englisch, Deutsch und Hebräisch redet Dirigent Roberto Paternostro während einer Probe wie mit Engelszungen auf die Musiker seines Tel Aviver Orchesters ein. Doch die meisten von ihnen träumen nachts auf Russisch - sie sind aus der ehemaligen Sowjetunion nach Israel eingewandert. Im Juli will die polyglotte Musikertruppe eine historische Reise antreten und als erstes Orchester Israels in Bayreuth Wagner-Musik spielen.

Der gebürtige Wiener Paternostro zieht bei der Generalprobe für zwei Konzerte in Tel Aviv alle Register, um das Israelische Kammerorchester zu immer höheren Leistungen anzuspornen. Mal lobt er überschwänglich, dann ist er wieder sehr streng. "Das ist so schön kitschig", schwärmt er, während das Orchester eine Serenade des jüdisch-ungarischen Komponisten Leo Weiner spielt. Doch mit dem zweiten Satz von Mozarts Jupitersinfonie ist er ganz unzufrieden. "Das schleppt sich zu sehr, Tempo, Tempo, Tempo!", rügt Paternostro.

Der 1957 geborene Dirigent, ehemals Assistent des legendären Herbert von Karajan, leitet das Kammerorchester in Tel Aviv seit gut zwei Jahren. Anders als das Israelische Philharmonieorchester ist das 1965 von Gary Bertini gegründete, kleinere Kammerorchester international bisher weniger bekannt.

Kritiker fordert Verbot der umstrittenen Reise

Über die medienwirksame Reise nach Bayreuth und das Wagner-Konzert sind in Israel, wo die Musik des deutschen Komponisten wegen seiner antisemitischen Ansichten immer noch boykottiert wird, vor allem viele ältere Menschen nicht glücklich.

Hauptkritiker ist der 84-jährige Journalist und Auschwitz-Überlebende Noah Klieger, der sich rigoros gegen die Reise ausspricht. "Ich bin überzeugt, dass sie letztlich nicht fahren werden", sagte Klieger der Deutschen Presse-Agentur. Das israelische Parlament müsse es dem mit öffentlichen Geldern finanzierten Orchester verbieten, meint er.

Der Auftritt ist zwar am 26. Juli nicht offiziell im Rahmen der Bayreuther Festspiele, sondern bei einem gesonderten Konzert im Rahmen des Liszt-Jubiläumsprogramms 2011 geplant. Doch Kritiker sehen dies als einen Kunstgriff und als Augenwischerei.

Wagner ist der "Vater der Rassentheorie"

Richard Wagner (1813-1883) vertrat nicht nur antisemitische Positionen, sondern war auch Lieblingskomponist des Nazi-Regimes. Bekannte Musiker wie Daniel Barenboim, Zubin Mehta und Mendi Rodan haben den Boykott in Israel gebrochen, jedoch nicht dauerhaft auflösen können. Der Skandal um die geplante Bayreuth-Reise im vergangenen Oktober führte allerdings zur Gründung der ersten israelischen Wagner-Gesellschaft.

Klieger sieht Wagner als den "Vater der Rassentheorie". "Er hat von einer überlegenen und einer minderwertigen Rasse gesprochen", sagt er. "Hitler musste das einfach nur übernehmen." Dies sei der Hauptgrund dafür, dass man seine Musik in Israel einfach nicht öffentlich spielen dürfe. Der Boykott Wagners gelte schon seit 1938, also schon zehn Jahre vor der israelischen Staatsgründung und noch vor dem Holocaust. Er wirft dem Kammerorchester vor, die Reise nur aus Publicitygründen zu planen. "Wer hat denn vorher überhaupt von diesem Orchester gehört?", meint Klieger.

"Wagner ist für klassische Musik von zentraler Bedeutung"

Doch die Tel Aviver Kammermusiker stehen geschlossen hinter der Reise nach Bayreuth. Der 40-jährige Kontrabassist Issar Shulman freut sich auf das Wagner-Konzert und sieht es als unproblematisch, obwohl seine Mutter Holocaust-Überlebende ist. "Wir sind Musiker, keine Politiker", sagt auch sein Kollege Ejal Ganor. Neben Wagners "Siegfried-Idyll" wollen die Gäste Werke der jüdischen Komponisten Gustav Mahler und Felix Mendelssohn Bartholdy sowie erstmals in Deutschland ein Stück des israelischen Komponisten Tzvi Avni spielen.

Die Flötistin Christiane Yehudin stammt selbst aus Deutschland, sie ist in Weimar geboren. "Ich bin froh, dabei zu sein", sagt die attraktive, dunkelhaarige Frau über den Ausflug in ihre Heimat. Sie glaubt fest daran, dass sich der Wagner-Boykott in Israel allmählich auflösen wird. Für klassische Musiker sei sein Werk von zentraler Bedeutung. "Es ist einfach eine unglaubliche Musik", sagt Yehudin.

dpa